Wundbehandlung

Chronische Wunden:
neue Statistik zeigt aktuelle Zahlen

Zu den Fallzahlen bei chronischen Wunden lagen viele Jahre nur Schätzungen vor. Eine neue wissenschaftliche Untersuchung ermöglicht nun auf der Grundlage einer breiten Datenbasis erstmals fundierte Aussagen

von der HARTMANN Online-Redaktion
Nicht zuletzt durch den demografischen Wandel sind in Deutschland immer mehr, vor allem ältere Menschen von chronischen Wunden betroffen. Wie hoch aber die genaue Zahl ist und ob alle Krankheitsbilder, die bisher unter chronischen Wunden subsummiert wurden, auch wirklich einen chronischen Verlauf zeigen, darüber lagen bislang keine exakten Daten vor.

„Ohne valide Versorgungsdaten sind eine solide Organisation und die Verbesserung der Versorgung der Patienten schlecht möglich“, meint Daniela Piossek, Leiterin des Referats Krankenversicherung beim BVMed, dem Bundesverband der Medicalproduktehersteller.

Erstmals valide Daten

Grund genug also für den BVMed, vor zwei Jahren eine Untersuchung bei der Forschungsgruppe für Primärmedizinische Versorgung (PMV) in Köln in Auftrag zu geben. Seit 1994 ist die PMV an der Universität zu Köln angesiedelt und arbeitet vorrangig zu gesundheitswissenschaftlichen und (pharmako)epidemiologischen Fragestellungen.


Grundlage der Untersuchung waren Routinedaten der AOK Hessen sowie der KV Hessen aus dem Jahr 2012. Zunächst wurde aus der Gesamtheit der Versicherten in Hessen eine Zufallsstichprobe von 19 % gezogen, was eine Zahl von 277.462 Versicherten ergab, die in der Studie genauer betrachtet wurden. Aus ihnen wurden in einem zweiten Schritt diejenigen Patienten ausgewählt, die eine der folgenden Indikationen aufwiesen:
  • Dekubitus
  • Ulcus cruris
  • diabetischer Fuß
  • posttraumatische Wunden
  • Verbrennungen oder Verätzungen
  • andere Wunden wie Entzündungen, Abszesse, Amputationswunden oder postoperative Wunden bei bösartigen Neubildungen.

Um nun die Versicherten den Indikationen zuweisen zu können wurden verschiedene Indikatoren verwendet, wie z. B. die ärztliche oder stationäre Diagnose gemäß ICD-10, Verordnungen über Arznei-, Hilfs- und Verbandmittel nach PZN, ärztliche Leistungen nach EBM, stationäre Behandlungen nach OPS oder die Inanspruchnahme von Sachleistungen für häusliche Krankenpflege, Krankenfahrten, Krankengymnastik und Physiotherapie.


Zugleich wurde von der Stichprobe auf die deutsche Gesamtbevölkerung hochgerechnet, wobei einige Besonderheiten der hessischen Stichprobe (z. B. in der Altersstruktur) korrigiert wurden, um eine repräsentative Darstellung zu erhalten.

Überraschende Ergebnisse

Insgesamt kommt die Studie auf eine Zahl von 2,7 Millionen Menschen in Deutschland, die 2012 von einer der oben aufgeführten Indikationen betroffen waren. Häufigste Indikation war das Ulcus cruris, gefolgt von posttraumatischen Wunden.

Studie
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Davon wurden allerdings rund zwei Drittel nicht länger als acht Wochen behandelt, was allgemein als Grenzwert zur Definition einer chronischen Wunde gilt. Dafür wurde in der Untersuchung ein sogenanntes „Chronizitätskriterium“ verwendet, das vorlag, wenn mindestens zwei wundrelevante Leistungen oder Verordnungen im Abstand von mehr als acht Woche vorlagen. Solch ein chronischer Verlauf traf nur noch für rund ein Drittel, exakt 892.305 Patienten, zu. Für die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung ergibt sich damit ein Wert von 1,1 %.

Dies lässt sich durchaus als „großer Erfolg für alle an der Wundversorgung Beteiligten bewerten“, meinte Prof. Dr. Knut Kröger, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie der Helios Klinik Krefeld und stellvertretender Vorsitzender der Initiative Chronische Wunde (ICW), bei der Vorstellung der Studie. Erstmals werde damit deutlich, dass bei 1,8 Millionen Menschen die Wunden innerhalb von acht Wochen abheilen. „Hier haben sich die Anstrengungen für eine bessere Ausbildung und Versorgung in den vergangenen Jahren bemerkbar gemacht“, so Kröger.

Weitere interessante Details

Der sehr detaillierte Aufbau der Studie führte aber noch zu einer Vielzahl weiterer Ergebnisse ...

  • Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz exponentiell an. Beträgt sie bei 70- bis 80-Jährigen 2,9 %, liegt sie bei über 90-Jährigen bei 11 %.

Prävalenz nach Alter und Geschlecht
  • Besonders stark war die Chronifizierung bei Dekubitus-Patienten und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom, während posttraumatische Wunden und Verbrennungen bzw. Verätzungen bei weniger als 20 % chronische Verläufe aufwiesen.
Anteil des chronischen Wunden
  • Über 80 % der chronischen Wundpatienten leiden unter Mehrfacherkrankungen, während dies bei der Gesamtheit der Wundpatienten nur auf 52 % zutrifft. Rund zwei Drittel von ihnen wurden zudem stationär behandelt.
  • Wichtigste Ansprechpartner sind mit 78,5 % der wund­relevanten Erstdiagnosen die Hausärzte. Sie besser einzubinden, um die Grundversorgung zu gewährleisten und einen Fortschritt in der weiteren Versorgung zu ermöglichen, sei daher eine wichtige Aufgabe, die sich laut Raimund Koch, Leiter des Referats Gesundheitspolitik bei HARTMANN, aus der Studie ergebe.