Zu den Fallzahlen bei chronischen Wunden lagen viele Jahre nur Schätzungen vor. Eine neue wissenschaftliche Untersuchung ermöglicht nun auf der Grundlage einer breiten Datenbasis erstmals fundierte Aussagen
Erstmals valide Daten
Grund genug also für den BVMed, vor zwei Jahren eine Untersuchung bei der Forschungsgruppe für Primärmedizinische Versorgung (PMV) in Köln in Auftrag zu geben. Seit 1994 ist die PMV an der Universität zu Köln angesiedelt und arbeitet vorrangig zu gesundheitswissenschaftlichen und (pharmako)epidemiologischen Fragestellungen.
- Dekubitus
- Ulcus cruris
- diabetischer Fuß
- posttraumatische Wunden
- Verbrennungen oder Verätzungen
- andere Wunden wie Entzündungen, Abszesse, Amputationswunden oder postoperative Wunden bei bösartigen Neubildungen.
Um nun die Versicherten den Indikationen zuweisen zu können wurden verschiedene Indikatoren verwendet, wie z. B. die ärztliche oder stationäre Diagnose gemäß ICD-10, Verordnungen über Arznei-, Hilfs- und Verbandmittel nach PZN, ärztliche Leistungen nach EBM, stationäre Behandlungen nach OPS oder die Inanspruchnahme von Sachleistungen für häusliche Krankenpflege, Krankenfahrten, Krankengymnastik und Physiotherapie.
Überraschende Ergebnisse
Insgesamt kommt die Studie auf eine Zahl von 2,7 Millionen Menschen in Deutschland, die 2012 von einer der oben aufgeführten Indikationen betroffen waren. Häufigste Indikation war das Ulcus cruris, gefolgt von posttraumatischen Wunden.
Davon wurden allerdings rund zwei Drittel nicht länger als acht Wochen behandelt, was allgemein als Grenzwert zur Definition einer chronischen Wunde gilt. Dafür wurde in der Untersuchung ein sogenanntes „Chronizitätskriterium“ verwendet, das vorlag, wenn mindestens zwei wundrelevante Leistungen oder Verordnungen im Abstand von mehr als acht Woche vorlagen. Solch ein chronischer Verlauf traf nur noch für rund ein Drittel, exakt 892.305 Patienten, zu. Für die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung ergibt sich damit ein Wert von 1,1 %.
Dies lässt sich durchaus als „großer Erfolg für alle an der Wundversorgung Beteiligten bewerten“, meinte Prof. Dr. Knut Kröger, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie der Helios Klinik Krefeld und stellvertretender Vorsitzender der Initiative Chronische Wunde (ICW), bei der Vorstellung der Studie. Erstmals werde damit deutlich, dass bei 1,8 Millionen Menschen die Wunden innerhalb von acht Wochen abheilen. „Hier haben sich die Anstrengungen für eine bessere Ausbildung und Versorgung in den vergangenen Jahren bemerkbar gemacht“, so Kröger.
Weitere interessante Details
Der sehr detaillierte Aufbau der Studie führte aber noch zu einer Vielzahl weiterer Ergebnisse ...
- Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz exponentiell an. Beträgt sie bei 70- bis 80-Jährigen 2,9 %, liegt sie bei über 90-Jährigen bei 11 %.
- Besonders stark war die Chronifizierung bei Dekubitus-Patienten und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom, während posttraumatische Wunden und Verbrennungen bzw. Verätzungen bei weniger als 20 % chronische Verläufe aufwiesen.
- Über 80 % der chronischen Wundpatienten leiden unter Mehrfacherkrankungen, während dies bei der Gesamtheit der Wundpatienten nur auf 52 % zutrifft. Rund zwei Drittel von ihnen wurden zudem stationär behandelt.
- Wichtigste Ansprechpartner sind mit 78,5 % der wundrelevanten Erstdiagnosen die Hausärzte. Sie besser einzubinden, um die Grundversorgung zu gewährleisten und einen Fortschritt in der weiteren Versorgung zu ermöglichen, sei daher eine wichtige Aufgabe, die sich laut Raimund Koch, Leiter des Referats Gesundheitspolitik bei HARTMANN, aus der Studie ergebe.