Illusion oder Perspektive?

Welche Rolle spielt die Pflege in der Zukunft?

Eine hohe Verantwortung und wachsende Herausforderungen prägen die tägliche Arbeit von Pflegefachkräften. Obwohl sie damit ein wesentlicher Faktor unseres Gesundheitssystems sind, lässt das Ansehen des Pflegeberufs zu wünschen übrig. Doch die Zeichen stehen auf Veränderung, wie die Diskussion beim HARTMANN Zukunftsforum 2018 aufzeigte.

von der HARTMANN Online-Redaktion

Den Pflegeberuf – vor allem auch in der Altenpflege – aufzuwerten, ist seit Jahren ein brisantes Thema, das durch die letzten Bundestagswahlen eine neue Aktualität erfahren hat. Im Fokus stehen eine einheitliche Berufsausbildung der Pflege, aber auch die Forderung, dass Gesellschaft und Politik den gesellschaftlichen Nutzen der Pflegeberufe stärker als bisher anerkennen: Denn Pflege ist nicht mehr die Hilfs- und Assistenzleistung für den Arzt. Pflege ist eine eigenständige Profession im Gesundheitswesen, die gegenüber anderen Gesundheitsberufen gleichberechtigt ist.

Diskussionsrunde Zukunftsforum Illusion oder Perspektive
Dies ist der Hintergrund der Themenrunde beim HARTMANN Zukunftsforum 2018 in Heidenheim, bei der der Präsident des Deutschen Pflegerates (DPR), Franz Wagner, und der Vorstandsvorsitzende des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP), Dr. Ralf Suhr, zur aktuellen Situation der Pflege Stellung nahmen und deren Perspektiven für die Zukunft ausloteten.


Beinahe etwas „wehmütig“ blickte Franz Wagner eingangs auf die skandinavischen Verhältnisse, speziell auf Schweden, die ihm aus eigenem Erleben bekannt sind. Grundsätzlich haben sowohl die skandinavischen als auch die deutschen Pflegesysteme die Zielsetzung, alte Menschen so lange wie möglich dabei zu unterstützen, selbstbestimmt zu leben. In Skandinavien geht man jedoch anders an die Umsetzung heran als in Deutschland. Insbesondere haben die skandinavischen Kommunen einen großen Anteil in der Betreuung von Pflegebedürftigen. Sie sorgen beispielsweise für Bring- und Fahrdienste, Treffen in Seniorenzentren und Betreuung zuhause. 
Wagner
Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerates (DPR)

Entscheidend für den höheren Stellenwert des Pflegeberufs in Schweden dürfte jedoch die Pflegeausbildung auf Hochschulniveau sein. In Deutschland beruht die Akzeptanz der Pflegekraft durch Ärzte häufig auf der Persönlichkeit, der Initiative und dem Engagement des einzelnen Pflegenden, wie Wagner anmerkte. Anzustreben wäre jedoch, dass Pflegekräfte generell auf Augenhöhe mit Medizinern agieren können, so wie in Skandinavien.

Deshalb meinte Dr. Ralf Suhr, dass die Fragestellung „Welche Rolle spielt die Pflege in der Zukunft?“ eigentlich falsch wäre. Vielmehr ginge es darum, dass die Pflegekräfte zu einem neuen Rollenverständnis finden müssten – und das trotz der vielen anstehenden Probleme durch die demographische Entwicklung und der damit verbundenen ansteigenden Zahl Pflegebedürftiger bei immer weniger Pflegefachkräften. Suhr betonte, dass der Pflegeberuf im Zusammenhang mit dem neuen Rollenverständnis natürlich auch Entwicklungsmöglichkeiten braucht. Voraussetzung dafür sind wiederum eine gute Ausbildung inklusive der Möglichkeit akademischer Bildung.

Suhr
Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzende des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP)

Dazu zählt auch die neu strukturierte Ausbildung ab dem 1. Januar 2020. Alle Auszubildenden der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege erhalten zwei Jahre lang eine gemeinsame, generalistische Ausbildung, mit der Möglichkeit, einen Vertiefungsbereich in der praktischen Ausbildung und einen Schwerpunkt im dritten Ausbildungsjahr zu wählen. Wie Franz Wagner dazu anmerkte, hätte sich der Deutsche Pflegerat (DPR) eine dreijährige generalistische Pflegeausbildung gewünscht und dann erst die Spezialisierung. „Die ursprünglichen Entwürfe wurden verwässert, aber der Kompromiss ist besser als nichts “ sagte Wagner.

Ein wichtiges Thema der Diskussion war zudem der eklatante Mangel an Pflegekräften. Nach Prognosen des Deutschen Pflegerates werden bis 2030 allein in der Altenpflege 200.000 Fachkräfte fehlen. Dabei werden 2030 geschätzt 3,5 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig und zu betreuen sein, derzeit sind es rund 2,5 Millionen Menschen. Franz Wagner fordert deshalb von der Politik ein Commitment, 100.000 finanziell abgesicherte Stellen in der Kranken- und Altenpflege zu schaffen.


Das Fazit der Teilnehmer war: „Es gibt in der Pflege kein Erkenntnisproblem – aber ein Umsetzungsproblem“. Um hier zu zukunftsorientierten Lösungen zu kommen, wird es die Anstrengungen aller brauchen. Und in einem waren sich alle einig: Der Pflegeberuf – egal in welchem Bereich – ist ein großartiger, sinnstiftender Beruf. Und wie Franz Wagner statuierte: „Jeder Einzelne ist Botschafter für seinen Beruf.“

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