Außergewöhnliche Wundbehandler

Millionen Wunden werden jedes Jahr in Arztpraxen, Kliniken, Altenheimen und zu Hause von engagierten Wundbehandlern versorgt. Dabei gibt es aber auch immer ungewöhnliche Geschichten, die wir regelmäßig hier vorstellen möchten.

„Wir geben dich nicht auf!“

Oliver Gunia  und Obdachlosenschlange in MUC
Oliver Gunia

Hilfe für Obdachlose in der Münchner Innenstadt

Über 10000 Menschen in München gelten als wohnungslos, geschätzt 1000 bis 2000 als obdachlos. Sie zu betreuen, machte sich vor inzwischen über 30 Jahren Frater Emmanuel Rotter von der Abtei St. Bonifaz zur Aufgabe. So entstand im Münchner Stadtzentrum zwischen Königsplatz und Stachus auf dem Gelände der Benediktinerabtei eine Einrichtung für Obdachlose und Menschen ohne Krankenversicherung. Eine große Küche gibt dort jede Woche 2000 Mahlzeiten aus, es gibt Duschen und eine Kleiderkammer, Sozialarbeiter kümmern sich um die Besucher, die in der Abtei auch eine für Behördenkontakte etc. wichtige Postadresse haben und nicht zuletzt steht eine Arztpraxis für alle Gesundheitsfragen zur Verfügung.

Dort arbeitet auch Oliver Gunia. Der 54-Jährige kann auf einen durchaus interessanten Lebenslauf zurückblicken. „Mit einer Opernsängerin als Mutter und einem Filmkomponisten als Vater war die Berufswahl eigentlich vorgezeichnet“, erinnert er sich lachend – und startet trotzdem nach der Schule erst einmal eine Ausbildung als Krankenpfleger, die er 1991 abschloss. Während er sieben Jahre im gelernten Beruf tätig war, studierte er dann nebenbei doch noch Musik und war anschließend viele Jahre mit seinem Vater im Filmmusikbusiness sehr erfolgreich.

Seit inzwischen sieben Jahren ist er aber nun zurück in der Pflege und leitet heute in der Arztpraxis von St. Bonifaz den Pflegedienst und die Wundambulanz. Insgesamt umfasst das Team dort zwei fest angestellte und drei ehrenamtlich tätige Ärzte sowie in der Pflege eine weitere feste Kraft und vier Ehrenamtliche. Bei schwierigen Fällen oder wenn eine stationäre Behandlung notwendig ist, arbeitet das Team unter anderem mit dem Klinikum der Barmherzigen Brüder zusammen.

„Unsere Einrichtung ist gut erreichbar und wir fragen nicht groß nach Namen“, erzählt Oliver Gunia. „Das Angebot muss das sein, was man heute niederschwellig nennt.“ Rund 1700 Patienten nutzen jedes Jahr die Arztpraxis, die alles vom Schnupfen bis zu Herzerkrankungen und Diabetes behandelt. Die Wundbehandlung ist ein wichtiger Aspekt, wobei das Spektrum von einfachen Schnittverletzungen bis zu venösen Ulcera und diabetischen Füßen reicht. Die Arztpraxis bei St Bonifaz betreut als Wundambulanz dabei auch Wundpatienten von anderen Praxen in München, die sich um Obdachlose kümmern.

Die Hygiene nimmt dabei einen wichtigen Platz ein. „Wir bieten für unsere Patienten immer auch Möglichkeiten zum Duschen“, erzählt Oliver Gunia. „Manche sind komplett verwahrlost, andere kommen dagegen im Anzug mit Krawatte. Aber alle haben ein Interesse daran, dass die Wundheilung vorankommt. Denn unsere Patienten sind sowieso schon stigmatisiert und eine stark riechende Beinwunde macht es z. B. noch schwieriger. Da heißt es dann schnell «Der Penner stinkt aber», was unsere Patienten natürlich nicht möchten.“

Für die Patienten ist all das kostenlos. Neben der Unterstützung durch Unternehmen wie HARTMANN, die oft Material spenden, wird die Ambulanz durch private Spenden und die Stadt München finanziert, zum größten Teil aber durch Einnahmen des Ordens, der auch das bekannte Wallfahrtskloster Andechs samt seiner Brauerei betreibt. Eine Versicherung haben die wenigsten seiner Patienten, berichtet Oliver Gunia und weist vor allem auf die vielen Obdachlosen aus Osteuropa hin: „Gerade hatten wir einen Fall mit einem Mann aus Ungarn, der schwarz auf dem Bau arbeitete, nach einem Unfall im Rollstuhl saß und einen großen Dekubitus entwickelte. Zurück nach Ungarn kann er nicht, denn dort ist Obdachlosigkeit inzwischen strafbar, und die Firma, die ihn einst nach Deutschland holte, ist inzwischen insolvent oder ganz verschwunden.“ Solche Schicksale sind in Oliver Gunias Tätigkeit keine Einzelfälle, aber eins können er und sein Team ihren Patienten versprechen: „Wir geben dich nicht auf!“

Oliver Gunia behandelt Fuß und Rücken eines Obdachlosen
Oliver Gunia bei der Behandlung

„Die Sorge für die Kranken muss über allem stehen“

Kloster Maria Laach und Bruder Antonius
Kloster Maria Laach und Bruder Antonius (vorne)

Der Wundexperte im Kloster Maria Laach

Idyllisch am Laacher See in der Vordereifel liegt seit über 900 Jahren die Abtei Maria Laach. Heute leben dort im Konvent 24 Benediktinermönche, dazu kommen verschiedene Wirtschaftsbetriebe von der Gärtnerei bis zur Buchbinderei sowie ein Gastflügel und das Seehotel.

Alle Ordensleute sind in Deutschland seit den 1970er-Jahren gesetzlich krankenversichert, aber dennoch gehört zum Kloster auch eine Krankenstation, auf der die Mitbrüder versorgt werden – ganz so wie der hl. Benedikt im Kapitel 36 seiner Regeln die Versorgung und Pflege der kranken Brüder beschreibt: „Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen: Man soll ihnen so dienen, als wären sie wirklich Christus.“

Die heutige Infirmerie in Maria Laach, die nach einer Umbauphase 2003 fertiggestellt wurde, umfasst aktuell fünf Betten. Sie wird betreut vom sogenannten Infirmar – und diese Position hat seit 2002 Bruder Antonius Trappe OSB inne. 1988 trat der heute 59-Jährige in das Kloster ein und konnte dann von 1990 bis 1993 eine Ausbildung als Krankenpfleger im Krankenhaus St. Marienwörth in Bad Kreuznach absolvieren. Nach seinem Examen unterstützte er Bruder Paulinus, den damaligen Infirmar, und übernahm 2002 selbst die Position des Infirmars.

Seit damals hat er sich kontinuierlich weitergebildet, z. B. zur Fachkraft für Kontinenzförderung, aber auch mit verschiedenen Fortbildungen zum Thema Wundversorgung. Ob es ein schweres Hämatom war, das ausgeräumt werden musste, oder eine Amputation des Zehs – in Abstimmung mit den behandelnden Ärzten außerhalb des Klosters übernahm er die kompetente Anschlussversorgung. Auch das HARTMANN WUNDFORUM zählt dabei zu seinen Informationsquellen. Seit 2001 liest er das Magazin regelmäßig, schneidet alle für ihn wichtigen Beiträge sorgfältig aus und heftet sie in einem inzwischen prall gefüllten Ordner ab.

„Es gab Jahre, da hatten wir die Bude voll“, erinnert er sich. So waren teilweise drei Brüder dauerhaft zu pflegen. Aktuell sei es dagegen etwas ruhiger, denn zwei Mitbrüder, die zwar Pflegestufe 2 und 3 hätten, seien noch relativ mobil.

Aber nicht nur die Betreuung seiner Mitbrüder zählt zu Bruder Antonius Aufgaben. Er kümmert sich auch – und hier kommt ihm zugute, dass er während seiner Ausbildung auch im Rettungsdienst mitfuhr – um die Notfallversorgung in der Klosteranlage, sei es im Gästeflügel, im Seehotel, bei den Wirtschaftsbetrieben mit den insgesamt rund 160 Angestellten und bei den vielen Besuchern des Klosters. „Ich bin sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag abrufbar“, erklärt er – und man merkt im Gespräch, dass ihm seine Tätigkeit auch nach über 20 Jahren immer noch sehr viele Freude bereitet.
Bruder Antonius mit Patient und Notfallkoffer
Bruder Antonius mit Patient