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Bei HARTMANN

Alle Fäden in einer Hand: Wie wir Hausärzte entlasten und den Beruf attraktiver machen können

Der Mangel an Ärzten auf dem Land ist schon jetzt vielerorts zu spüren. Wir müssen umdenken, wenn wir die Versorgung auch künftig sicherstellen wollen – zum Beispiel, indem wir die Allgemeinmedizin aufwerten und Aufgaben delegieren. So Dr. Chima Abuba, Geschäftsführer von HARTMANN Deutschland.

Wir kennen die Zahlen: Bereits jetzt sind mehr als 2.600 Hausarztpraxen verwaist. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung schätzt, dass 2030 mehr als 10.500 Hausärzte fehlen könnten. Insbesondere auf dem Land. Das weiß auch Dr. Anke Richter nur zu gut. Sie ist Hausärztin in Bad Oeynhausen und Landesvorsitzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe. Von den 3.000 Mitgliedern sind mehr als die Hälfte über 60 Jahre alt, 20 Prozent schon über 65 Jahre. „Wenn ich einmal aufhöre, ich bin jetzt Mitte 50, hört die Hälfte aller Ärzte mit mir auf. Um mich herum sind zwei 72-Jährige, einer ist 65 und der Kollege im Nachbardorf ist gerade erst verstorben.“

Davon erzählte Richter erst kürzlich beim HARTMANN Zukunftsforum, wo wir mit Top-Experten der Branche über die Zukunft des Gesundheitswesens in Deutschland diskutierten. Auch für Biggi Bender, Leiterin der vdek-Vertretung in Baden-Württemberg und ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, ist klar: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die Ressource Arzt verknappt.“


Das wissen wir alles. Doch was bedeutet das für die Bevölkerung auf dem Land? Dass sie in Zukunft nicht mehr zum Arzt gehen kann? Dass das Gesundheitssystem auf dem Land vielleicht sogar kollabiert?


Ich denke nicht.


Erste Ideen für eine bessere Versorgung auf dem Land


Einige Maßnahmen werden bereits heute zur haus- und fachärztlichen Versorgung auf dem Land getestet – manche haben sich sogar schon etabliert:

  • seit 2004 gibt es mehrere Tausend Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in Deutschland – und es werden immer mehr
  • einige Kommunen gehen das Problem aktiv an: die Gemeinde Büsum in Schleswig-Holstein stellt Ärzte ein, um der Verknappung an Landärzten entgegenzuwirken
  • die KV Hessen versucht mit dem Medibus als mobile Hausarztpraxis die Versorgung auf dem Land sicherzustellen – er fährt mindestens zwei Jahre lang sechs Gemeinden an, um Patienten zu versorgen

Auf technologischer Seite gibt es ebenfalls spannende Ansätze, die von der Abschaffung des Fernbehandlungsverbots profitieren:

  • im Modellprojekt „docdirekt“ in Stuttgart oder Tuttlingen stellen Ärzte Ferndiagnosen über digitale Kommunikationsmittel
  • die Mainzer Kinderchirurgie sammelt erste Erfahrungen mit Videosprechstunden, insbesondere in der Nachsorge

Diese Zusatzangebote sind in Deutschland zwar noch die Ausnahme, aber in den USA und Großbritannien schon seit längerem die Regel. Wir sollten von solchen Beispielen lernen.


Auch wir bei HARTMANN sind gefragt: Wir müssen Lösungen entwickeln und anbieten, die die Arbeit der Hausärzte und letztlich auch der Pflegekräfte erleichtern – weg vom isolierten Produkt-Sale, hin zu wertbasierten Lösungen. Aber dazu komme ich später.


Biggi Bender (links) und Dr. Anke Richter (rechts) diskutieren beim HARTMANN Zukunftsforum
Biggi Bender (links) und Dr. Anke Richter (rechts) diskutieren beim HARTMANN Zukunftsforum
Die Moderatoren beim HARTMANN Zukunftsforum fassen die Ergebnisse des Tages zusammen
Die Moderatoren beim HARTMANN Zukunftsforum fassen die Ergebnisse des Tages zusammen

Allgemeinmedizin wieder aufwerten


Als gelernter Mediziner liegt es mir besonders am Herzen, für den Beruf des Hausarztes zu werben. Potenziellen Nachwuchs gibt es genügend – nur lassen sich leider immer weniger junge Mediziner zum Facharzt der Allgemeinmedizin ausbilden. Gerade mal jeder Zehnte ist daran interessiert.


Neben einem geringeren Einkommen von Hausärzten ist auch die Ausbildungsstruktur nicht förderlich. Sie erweckt den Eindruck, Allgemeinmedizin sei weniger anspruchsvoll oder interessant als andere Disziplinen. Dazu kommen lange Arbeitszeiten, eine erhöhte Arbeitsbelastung, eine in ländlichen Regionen oftmals unzureichende Infrastruktur sowie zunehmend bürokratische Hürden.


Einen ersten Kontakt mit der Allgemeinmedizin würde ich mir bereits während des Studiums wünschen. So könnten Studierende aktiv in Hausarztpraxen mitarbeiten und frühzeitig die Aufgabenvielfalt des Bereiches kennenlernen. „Beim Hausarzt laufen alle Fäden zusammen“, betonte auch Dr. Anke Richter beim Zukunftsforum.

Sinnhaftigkeit versus Spezialisierung


Da hat sie recht: Während Mediziner in der Klinik isoliert an einzelnen Themen arbeiten, gibt es für Hausärzte von der Basiswunde über schwerwiegende Erkrankungen eine Vielzahl an Einsatzgebieten und Diagnosen. Ihre Patienten können sie vielleicht nicht final therapieren, aber immerhin sind sie an der Entscheidungshilfe beteiligt und sorgen dafür, dass der Patient richtig behandelt wird.


Was wir nicht vergessen dürfen: Als Arzt auf dem Land zu arbeiten, bedeutet mehr als nur volle Wartezimmer, lange Arbeitstage, das immer gleiche Klientel und ein Arbeitsumfeld als „Einzelkämpfer“. Hausärzte sind nah am Patienten, tauchen in Familienstrukturen ein, erfahren Dankbarkeit und können Menschen bis ins hohe Alter begleiten – oft fernab von der Schnelllebigkeit einer Großstadt. Ist Sinnhaftigkeit weniger Wert als Spezialisierung?

Politik am Drücker


Vielleicht schafft es die Landarztquote in NRW, das Ausbildungsproblem zu mindern. Geplant ist die Auskopplung des Numerus Clausus für all diejenigen, die sich verpflichten, für einige Zeit nach ihrem Studium auf dem Land zu praktizieren. Auch weitere Anreize hat die Politik bereits geschaffen, um unterversorgte Gebiete medizinisch abzusichern:

  • das GKV-Versorgungsstrukturgesetz und das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sollen jungen Medizinern Lust auf die Arbeit als Landarzt machen – etwa mit finanziellen Vorteilen, einer flexibleren Bedarfsplanung oder der Förderung mobiler Versorgungskonzepte
  • zudem wurde es den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) erleichtert, Eigeneinrichtungen zu betreiben

Aber reicht das aus?

Work-Life-Balance wird immer wichtiger


Das Problem der ärztlichen Versorgung auf dem Land ist nicht nur durch Selbstverwaltung und Verpflichtungen zu lösen. Neben der Aufwertung der Allgemeinmedizin müssen sich auch die Arbeitsbedingungen auf dem Land verändern. Denn gerade einmal neun Prozent der Medizinstudenten würden sich laut einer Umfrage des Hartmannbundes gerne auf dem Land niederlassen. Aber: Die Mehrheit würde es tun, wenn sie zum Beispiel Unterstützung bei der Kinderbetreuung bekämen oder der Arbeitsplatz für den Lebenspartner gesichert wäre.


Und, mal ganz grundsätzlich: Muss die ganze Verantwortung überhaupt beim Hausarzt liegen? In Deutschland werden dem Pflegereport der Bertelsmann Stiftung zufolge bis 2030 rund 500.000 Vollzeitkräfte in der Pflege fehlen. Mehr als die Hälfte der Pflegekräfte in Deutschland denkt über einen Ausstieg aus ihrem Beruf nach. Dies ergab der erstmals von uns durchgeführte Pflexit-Monitor, eine Umfrage unter 300 Pflegekräften in Deutschland.

Artzt im Gespräch
Mehr Befugnisse für Pflegekräfte


Viele würden ihren Beruf nicht einmal weiterempfehlen – es mangelt an Selbstbewusstsein und vor allem an Anerkennung. Warum nicht jungen Pflegekräften mehr Verantwortung zusprechen und gleichzeitig Ärzten auf dem Land einen Teil ihrer Arbeit abnehmen?


Zum Beispiel in der Wundversorgung. Pflegekräfte verbringen sehr viel Zeit mit den Patienten, kennen sie gut – warum sollten sie nicht auch mehr Befugnisse erhalten? Natürlich unter der Prämisse, dass der Qualitätsstandard durch eine entsprechende Weiterbildung auch weiterhin gewährleistet wird.


Als Vertreter der Industrie wollen wir als Unternehmen HARTMANN für das gesamte Gesundheitswesen einen Beitrag leisten – mit kurzfristigen Lösungen, die Heilungsverläufe stringenter machen. Mit der Hydrotherapie bieten wir schon heute ein Konzept, das es Hausärzten und Pflegekräften erleichtert, Wunden schnell und zielgerichtet zu versorgen und zu heilen. In genau diese Richtung müssen wir weiterhin denken.

Neue Geschäftsmodelle, neue Aufgabenverteilung


Aber auch Chancen der Digitalisierung müssen wir erkennen. Neue Geschäftsmodelle werden das Gesundheitssystem nachhaltig verändern – allein schon durch die Tatsache, dass Ärzte nun Ferndiagnosen über digitale Kommunikationsmittel stellen dürfen. Es gilt, Aufgaben neu zu verteilen. Hier ergeben sich spannende Entwicklungen, die wir als Unternehmen mitgestalten wollen.


Außerdem müssen wir das Thema medienwirksamer machen und in Gremien, Zirkeln und Arbeitskreisen mehr Leute für das Thema begeistern. Ein erster Schritt in diese Richtung war hier sicherlich auch unser Zukunftsforum als Plattform und Impulsgeber für Vertreter aus allen Bereichen der Gesundheitsbranche.


Wir sind auf einem guten Weg. Auch wenn noch einiges passieren muss, bin ich der festen Überzeugung, dass die Versorgung auf dem Land gesichert werden kann. Wenn wir alle an einem Strang ziehen.
Über HARTMANNs 200-jähriges Jubiläum


2018 feiert HARTMANN sein 200-jähriges Jubiläum. Bereits 2017 starteten wir mit dem Countdown zu den offiziellen Feierlichkeiten im Juni 2018. Erfahren Sie in unseren Geschichten, wie unsere Mitarbeiter und Partner dazu beitragen, das Gesundheitswesen voranzubringen und welche Trends und Themen die Gesundheitssysteme bewegen, für die wir uns einsetzen.