WundForum 3/2020

Praxis 19 HARTMANN WundForum 3/2020 Partner bei der Abwehr der chronischen Wunde Partner Funktion Abhängigkeit Humorale Abwehr des Patienten (Komplement- system, Antikörper) 7 Zerstörung von Bakterien 7 Markierung von Bakterien für Fresszellen 7 Verklumpung und Inak- tivierung von Toxinen (Tetanus) 7 Proteingehalt des Blutes 7 Impfstatus (Tetanus) 7 Spurenelemente (Zink, Selen u. a.) Unspezifische zelluläre Abwehr des Patienten (Makrophagen, neutrophile Granulozyten) 7 „Fressen“ von Bakterien 7 Präsentation von Anti- genen für Zellen der spezi- fischen Abwehr 7 Sauerstoffpartialdruck des Gewebes 7 Zugänglichkeit der Wunde für die Zellen 7 Ernährungsstatus des Patienten Bakterien (patienteneigenes Hautmikrobiom) Kolonisationsresistenz (Fremdflora den Zugang ver- sperren, Heilungsförderung durch geringe Mengen von Endotoxin) 7 Antiseptika begrenzt einsetzen 7 Antibiotika möglichst vermeiden Bakterien (Fremdflora) Provokation der patien- teneigenen Abwehr­ mechanismen, dadurch Entzündungsreaktion 7 Antiseptika und Antibiotika 7 Aseptisches Arbeiten der Wundexperten 7 Fähigkeit der Wunde, über- haupt noch eine Entzündung zu zeigen verschoben, was der Vermehrung der Bakterien zugutekommt. Stö- rungen der Mikrozirkulation – mit den daraus resultierenden Defizi- ten an Nährstoffen und Sauerstoff für die Wundzellen – erschweren oder verhindern die Heilung (je nach Ausmaß). In solchen Fällen wird die Abwehr der Wunde beeinträchtigt und die Zusammensetzung der Extrazellularmatrix labil. Dennoch bildet sich ein Gleichgewicht, dessen Partner wie in der tabella- rischen Darstellung agieren. Der Wundgrund wird dabei quasi zu einem „Schlachtfeld“, auf dem sich die beteiligten Parteien wild bekämpfen. Zum Wesen der chronischen Wunde zählt aber auch, dass keine Partei die Oberhand gewin- nen kann. So kommt es weder zu einer schnellen Heilung noch zu einer die Heilung zurückwerfen- den Infektion. Die Konsequenzen daraus Das Engagement von Wundex- perten muss also darauf abzielen, der Abwehr einen Vorsprung zu verschaffen, ihr eben beim Siegen zu helfen. Dabei ist zu bedenken, dass Bakterien sowohl Partei als auch Partner bei der Wundhei- lung repräsentieren. Der ohnehin frustrane Versuch, eine Wunde „steril“ zu bekommen, ist also gar nicht sinnvoll. Vielmehr ist eins zu beachten: Wenn dieses labile System belastet wird – beispiels- weise durch vom Wundrand her eingetragene Verbandreste, Bak- terien und Hautschuppen –, kann das fragile Gleichgewicht kippen und in Richtung einer Infektion entgleisen. Daher sind Wunden grundsätzlich von innen nach außen zu reinigen. Was aber hilft nun der körper- eigenen Abwehr beim Siegen? Die Mechanismen der körper- eigenen Abwehr sind auf einen sauren pH-Wert ausgelegt, wie er eben bei einer Entzündung entsteht. Somit gilt es, den neut- ralen bis alkalischen pH-Wert der chronischen Wunde entsprechend zu verschieben. Bereits im alten Rom benutzte man dafür Essig, in Indien hingegen Zitronensäure – durchaus mit einigen Erfolgen. Heute ist es besser, rechtssicherer und der Heilung eher förderlich, die Bakterien in der Reinigungs- phase zu reduzieren. Das kann durch Antiseptika (= Keimelimina- tion) oder bakterienansaugende Wundverbände bzw. Nieder- drucksysteme (= Keimreduktion) geschehen. So werden zwar die Bakterien nicht vollständig besei- tigt, aber das ist auch gar nicht das Ziel. Allein die Reduktion der Bakterienzahl und damit auch die Verminderung der bakteriellen Stoffwechselprozesse sowie die sich als Folge daraus ergebende pH-Absenkung im Wundgebiet geben der Abwehr den nötigen Vorsprung, um zu siegen und die Heilung einzuleiten. Staphylococcus epidermi- dis ist ein normalerweise „guter“ Hautkeim. Staphylococcus aureus gilt als häufigster Erreger von Wundinfektionen. E. coli wird gefährlich, wenn es aus der Darmflo- ra in die Wunde gelangt. Pseudomonas aeruginosa bevorzugt ein feuchtes Milieu (Pfützenkeim). Streptokokken führen im Infektionsfall zu eitrigen Infektionen. Der Autor: PD Dr. med. An- dreas Schwarz- kopf, Institut Schwarzkopf, Aura an der Saale

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