WundForum 3/2020

Die Autoren: Prof. Dr. Volker Großkopf und Michael Schanz, beide Rechtsdepesche für das Gesundheits­ wesen, Spezialgebiet Arzt- und Pflegerecht, Salierring 48, 50677 Köln, E-Mail schanz@rechtsdepesche.de Praxis 23 HARTMANN WundForum 3/2020 Impressum Herausgeber: PAUL HARTMANN AG, Postfach 1420, 89504 Heidenheim, Telefon: 07321/36-0, Fax: 07321/36-3637, http://www.hartmann.de , Verantwort- lich i. S. d. P.: Bernhard Graf Expertenbeirat: Prof. Dr. med. Joachim Dissemond, Prof. Dr. med. Günter Germann, Prof. Dr. med. Hans Lippert Redaktion: cmc centrum für marketing und communica- tion gmbh, Erchenstraße 10, 89522 Heidenheim Druck: Wahl-Druck GmbH, 73431 Aalen Bildnachweise: AdobeStock: G. Assmy (19), flashpics (6-7), khunatorn (8), memyjo (20), Photographee.eu (11), royaltystockphoto (19), Sagittaria (18), T. Shepeleva (19), M. Stay (6), J. Sturm (1), vegefox (5), Xue (19); Danzer (9); Germann (9); Hoffmann-Tischner (14-15); Kraus (17); Lip- pert (9); Scheuerer (16); Vanscheidt (9); alle anderen PAUL HARTMANN AG Haftung: Eine Haftung für die Richtigkeit der Veröffentli- chungen können Herausgeber und Redaktion trotz sorgfäl- tiger Prüfung nicht übernehmen. Mit Namen gekennzeich- nete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder, die nicht mit der des Herausgebers identisch sein muss. Eine Gewähr für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann nicht übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom Absender im Einzelfall anhand anderer verbindlicher Quellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Copyright: Alle Rechte, wie Nachdrucke, auch von Ab- bildungen, Vervielfältigungen jeder Art, Vortrag, Funk, Tonträger- und Fernsehsendungen sowie Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, auch auszugsweise oder in Übersetzungen, behält sich die PAUL HARTMANN AG vor. 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Hierbei handelt es sich um Behandlungssituationen, bei denen typischerweise eine kon- krete Gefahrensituation besteht, die eine gesteigerte Obhuts- pflicht des eingesetzten Personals auslöst. Die individuellen, unwägbaren biologisch-physiologischen Pro- zesse des menschlichen Organis- mus spielen in diesen Fällen regel- mäßig keine Rolle, weshalb eine Abwehr der Beweislastverschie- bung zulasten der beklagten Ein- richtung (und / oder des beklagten Personals) durch einen Hinweis auf diesen Umstand regelmäßig nicht abgewendet werden kann. Dies wird in der Regel nur dann gelingen, wenn eine detailgenaue Dokumentation herangezogen werden kann. Praktisch bedeutet dies, dass eine hundertprozentige Ergebnisqualität einzuhalten ist, und die Transfer-und Transport- maßnahmen beispielsweise nicht von Hilfskräften, sondern nur von entsprechend befähigtem Perso- nal oder unter Hinzuziehung von Hilfsmitteln (z. B. Patientenlifter) durchgeführt werden. Risiko „Toilettengang“ Ein weiteres Problemszenario des Sturzes stellt der nächtliche Toilettengang dar, bei dem der Patient / Bewohner zu Fall kommt. Auch dieses Sturzrisiko ist perso- nenbezogen zu identifizieren und dementsprechend zu kompensie- ren. Abhilfe verspricht etwa die Einschaltung eines Bodenlichtes oder eine Rufanlage, über die Hilfe herbeigerufen werden kann. Mitunter werden auch Bett- gitter dazu genutzt, um den Bewohner am eigenständigen nächtlichen Toilettengang zu hindern. Dies entspricht nicht den neuesten pflegewissenschaft- lichen Erkenntnissen  2 und wird auch von Fachjuristen abgelehnt.  3 In jedem Fall bedarf diese Form der Freiheitsbeschränkung der Einwilligung des Betroffenen oder der Einwilligung seines Betreuers bzw. Bevollmächtigten. Außerdem ist § 1906 Abs. 4 BGB zu berücksichtigen, nach dem die Genehmigung des Betreuungsgerichtes eingeholt werden muss, wenn dem Betreu- ten über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit mit- tels Bettgitter entzogen werden soll. 1 Großkopf/Schanz (2004, S. 41) 2 DNQP (2013, S. 109f) 3 Vgl. nur den sog. Werdenfelser Weg·(https://www. werdenfelser-weg- original.de) 4 Arbeitsgemein- schaft der Wis- senschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, AWMF-Leitlinien-Re- gister Nr. 53/004 5 DNQP (2013, S. 61 ff.) Maßstäbe der Qualität Neben den Auswirkungen der sachlich-räumlichen Verortung eines Sturzereignisses auf die Beweislastkonsequenzen im Rah- men des „voll beherrschbaren Herrschafts-und Organisations- bereichs von Gesundheitseinrich- tungen“ erlangen außerdem die Anforderungen an die Kompen- sation des (individuellen) Sturzrisi- kos eine wesentliche Rolle in der gerichtlichen Auseinandersetzung. Daher ist es von praktischer und juristischer Relevanz, dass sich das Handeln des eingesetzten Personals am anerkannten und gesicherten Qualitätsstandard der Wissenschaft und Forschung orientiert. Eine Leitlinie der AWMF  4 und der DNQP-Exper- tenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“  5 bieten zahlreiche Entscheidungshilfen an, z. B. zur Durchführung eines systema- tischen Sturzassessments, der Bewertung der Sturzrisikofaktoren oder der Bandbreite der Präventi- ons- und Interventionsangebote.

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