PflegeDienst 1/2020

Viele akute und chronische Erkrankungen sind heute so gut behandelbar, dass die betroffenen Patienten weitestgehend frei von Beschwerden und Komplikationen leben können. Um diese Ziele zu erreichen, ist jedoch häufig eine medikamentöse Behandlung mit mehreren Medikamenten gleich- zeitig erforderlich. In Deutschland werden den über 60-Jährigen mehr als die Hälfte aller verschrei- bungspflichtigen Medikamente verordnet, durchschnittlich etwa drei bis vier Präparate.  [1] Noch höher dürfte die Anzahl der verordneten bzw. eingenom- menen Medikamente bei Multi- morbidität sein. Die meisten mul- timorbiden Patienten nehmen im Durchschnitt fünf und mehr Medi- kamente gleichzeitig ein, im Ext- remfall bis zu 15 Medikamente.  [2] Hieraus können sich unüberseh- bare, teils gefährliche Wechsel- und Nebenwirkungen ergeben, die nicht selten zu notfallmäßiger Krankenhauseinweisung führen. Man schätzt, dass etwa 6,5% aller Krankenhauseinweisungen aufgrund unerwünschter Arznei- mittelwirkungen erfolgen. Verschärft wird das Problem der Multimedikation oft auch von Patienten und Angehörigen selbst, indem sie zusätzlich zu den ver- ordneten Präparaten frei verkäuf- liche Mittel einnehmen. Und nicht zuletzt sind es Einnahmefehler und mangelnde Therapietreue der Patienten, die so manche kritische Situation heraufbeschwören. Im Alter verstoffwechselt der Körper anders Oft unberücksichtigt bleibt auch die Tatsache, dass sich die Vor- gänge um Resorption, Verteilung und Ausscheidung vieler Medika- mente sowohl durch die physio- logischen Alterungsprozesse als auch durch Krankheiten verän- dern. Diese physiologischen und pathologischen Vorgänge haben zum Teil erheblichen Einfluss auf die Pharmakokinetik und -dyna- mik von Arzneimitteln.  [3] Probleme bei der Resorption Die meisten Medikamente werden oral eingenommen und demzufolge im Magen-Darm-Trakt resorbiert. Mit zunehmendem Alter aber atrophieren die Ver- dauungsorgane, die Durchblutung und Produktion von Magensäure ist vermindert. Es wird davon ausgegangen, dass dies auch Auswirkungen auf die Resorption von Medikamenten hat und diese verschlechtert. So ist z. B. insbe- sondere die Resorptionsrate von 1 www.allgemeinarzt- online.de/a/1563852 2 I. Füsgen, A. Wie- demann, Inkontinenz aktuell Juli 2016 3 Dr. Wiltrud Probst, Fachapothekerin i.R. für Klinische Phar- mazie und Arznei- mittelinformation, Heidenheim Die Wirkstoffe von Arzneimitteln werden durch den Blutkreislauf [1] an die Zielzellen/- organe [3] gebracht. Wie sich der Weg dort- hin bzw. wie sich die Ausscheidung gestaltet, ist abhängig von der Darreichungsform. Bei oral eingenommenen Medikamenten [A] werden die Wirkstoffe im Magen-Darm-Trakt freigesetzt, gelangen über das Pfortadersys- tem zunächst in die Leber [2], „first pass“, und werden dann weiter zum Wirkort [3] trans- portiert. Alle anderen, nicht oral eingenom- menen Arzneimittel [B] gelangen mit dem Blut direkt – ohne Leberpassage – zum Wirkort [3]. Die Wirkstoffe werden im Blut entweder frei transportiert oder lagern sich an Eiweiße (vor allem Albumin) an, die zahlreich im Blut vorhanden sind. Bei der Ausscheidung gelan- gen alle Wirkstoffe in die Leber, werden dort abgebaut und entweder über die Nieren mit dem Urin oder über die Leber mit dem Stuhl ausgeschieden. 1 3 2 A B Die Verarbeitung von Medikamenten im Körper Medikamente im Alter – weniger ist mehr Eine Behandlung älterer Patienten ist ohne den Einsatz von Medikamenten nicht denk- bar. Sie ist jedoch mit alterstypischen Risiken belastet, die auch bei der Verabreichung der Medikamente eine Rolle spielen können. Die 6-R-Regel hilft dabei, Fehler zu vermeiden. Medizin & Pflege 12 HARTMANN PflegeDienst 1/2020

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