WUNDFORUM 1/2023

Besonders sorgfältig sind die klassischen Dekubituslokalisationen wie Sakralbereich, Trochanter und Fersen zu kontrollieren. Bei ersten Anzeichen sofort mit der Druckentlastung beginnen!!! Patienten mobilisieren Immobilität ist der größte Risikofaktor. Deshalb sollte alles versucht werden, um den Patienten so schnell wie möglich zu mobilisieren bzw. ihm seine eventuell vorhandene Restmobilität zu erhalten, so z. B. durch Aufsetzen, passive und aktive Bewegungsübungen im Bett. Beim Schwerkranken bzw. beim absolut bewegungsunfähigen Patienten stellt das Umlagern zur Druckentlastung eine Form der Mobilisation dar. Hautpflege intensivieren: Eine gesunde Haut ist gegen Druckbelastungen widerstandsfähiger als eine vorgeschädigte, weshalb sie insbesondere an den klassischen Dekubitusstellen intensiv zu pflegen ist. ½ Vor allem altersbedingt trockene Haut darf beim Waschen nicht weiter ausgetrocknet werden und ist mit Reinigungs- und Pflegepräparaten mit stark rückfettenden Zusätzen zu schützen. ½ Zur Durchblutungsförderung der Haut können leichte (Klopf)Massagen und Einreibungen mit milden, rückfettenden Massageölen/-präparaten angewendet werden. ½ Kräftiges Massieren der Haut und Einreiben mit alkoholhaltigen Präparaten (z. B. Franzbranntwein) können mehr schaden als nützen. Deswegen wird davon abgeraten. ½ Ebenso hat ein Eisen und Föhnen der Haut zu unterbleiben. ½ Bei Mazerationen der Haut durch Inkontinenz kann die Haut (im Genitalbereich) durch hochwertige Inkontinenzprodukte mit Superabsorbern im Saugkern trockener gehalten werden. Hinweis: Bei schwerer Inkontinenz und ggf. im Endstadium kann eine transurethrale Katheterableitung (angeordnet durch den Arzt) dem Patienten Beschwerden durch das Wechseln von Inkontinenzprodukten ersparen. Dekubitusbehandlung mit System Komplette Druckentlastung sichern Ein Dekubitus entsteht durch anhaltende Druckeinwirkung auf die Haut bzw. Muskel- und Fettgewebe in der Tiefe. Wichtigste Maßnahme jeder Dekubitusbehandlung ist deshalb die komplette Druckentlastung zur Verbesserung bzw. Wiederherstellung der Gewebedurchblutung im betroffenen Gebiet. Ohne Druckentlastung ist eine Heilung nicht möglich und alle weiteren Maßnahmen sind sinnlos. Nekrotisches Gewebe debridieren Nekrosen werden in der Regel entfernt. Eine Ausnahme bilden Nekrosen an Fersen. Hier wird nur debridiert, wenn zuvor eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), z.B. durch Ermittlung des Knöchel-Arm-DruckIndex (KADI), ausgeschlossen oder eine Rekanalisationsoperation erfolgreich durchgeführt wurde. ½ Nekrotisches Gewebe muss so früh wie möglich chirurgisch exzidiert werden, da sich unter einer Nekrose eine Infektion unbemerkt in die Tiefe ausdehnen kann. ½ Das chirurgische Débridement sollte wegen möglicher Komplikationen von einem erfahrenen Arzt unter ausreichender Anästhesie im OP durchgeführt werden. ½ Ist ein chirurgisches Débridement nicht durchführbar, ist eine möglichst rasche Wundreinigung mithilfe der feuchten Wundbehandlung, mit Wundspülungen und einer schonenden mechanischen Ablösung von Nekrosen durchzuführen. Lokalinfektion nicht übersehen Lokalinfektion und bakterielle Dermatitis sind häufige Komplikationen. Werden sie nicht frühzeitig erkannt, kann sich eine Dekubitalsepsis oder unbemerkt eine Osteomyelitis (auch Osteitis = Knochen(mark)entzündung) entwickeln. ½ Die Lokalinfektion zeigt sich prinzipiell mit den klassischen Symptomen: Rötung und Überwärmung der Hautareale rings um das Ulkus, brennende Schmerzen im Ulkusgrund und der Wundumgebung, Ödem am Ulkusrand und an der Wundumgebung sowie Bewegungseinschränkung. ½ Systemisch erwartet man Fieber, Leukozytose und ein erhöhtes C-reaktives Protein, wobei diese Symptome im Alter oft fehlen. ½ Ein tiefer Wundabstrich für die bakteriologische Kultur ist hilfreich und ermöglicht im Falle einer Sepsis eine gezielte Antibiotikatherapie. Wunden permanent feucht behandeln Aus Studien über die Wundpathophysiologie geht hervor, dass Wunden unter feuchten Verbänden besser heilen als unter trockenen. ½ Die permanente Feuchttherapie hat einen sehr guten wundreinigenden Effekt, schont Abwehrzellen, bewirkt ein heilungsförderndes Mikroklima und fördert die Bildung von Granulationsgewebe. ½ Besonders wichtig ist, dass das Austrocknen der Wundflächen verhindert wird und der Verband nicht mit der Wunde verklebt. Dies ermöglicht einen atraumatischen, schmerzarmen Verbandwechsel ohne „Zellstripping“, d. h. neugebildete Zellen werden nicht mit dem verklebten Verband abgerissen. Plastisch-chirurgische Deckung Débridement und plastisch-chirurgische Deckung mittels Lappenplastik sind dank der Fortschritte auf den Gebieten der Anästhesie und operativen Techniken möglich geworden. Erlaubt es die individuelle Situation, sollten davon auch Alterspatienten mit einem höhergradigen Dekubitus profitieren, weil Ulzera der Kategorie 3 und 4 ohne eine plastisch-chirurgische Operation nur schwer oder gar nicht zur Abheilung gebracht werden können. Nach Störfaktoren suchen Falls die Therapieprinzipien und vor allem die Druckentlastung konsequent eingehalten wurden und der Dekubitus trotzdem keine Tendenz zur Heilung zeigt, kann dies an allgemeinen Störfaktoren liegen. Anhand von sorgfältig erstellten Checklisten, die auch das individuelle Risikoprofil des Patienten berücksichtigen, sollte deshalb immer wieder nach neuen oder bestehenden Störfaktoren gesucht werden. Diese können z. B. sein eine Malnutrition, ein Zinkmangel oder eine Depression, ein anderes Mal eine Aspirationspneumonie oder eine Dehydratation, die die Heilung beeinträchtigen. Optimale Ernährung anstreben Mangelernährung (Malnutrition) zählt zu den häufigsten Komorbiditäten des älteren Menschen. Ihre störenden Auswirkungen auf die Wundheilung sind heute gut evaluiert. Deshalb gehört zur Eintrittsuntersuchung immer auch die Überprüfung des Ernährungsstatus. Ein Nutrogramm hilft bei der Aufdeckung von Defiziten und der Optimierung der individuellen Ernährungstherapie. Tipps zur Dekubitusbehandlung WISSEN 7 HARTMANN WUNDFORUM 1 / 2023

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