WUNDFORUM 2/2022

oder auch Unterernährung. Diese ist zumeist mit einer deutlichen Gewichtsabnahme verbunden und deshalb in der Regel schnell zu erkennen. Bei einem Body Mass Index (BMI) von weniger als 18,5 wird von einer Unterernährung ausgegangen, die diagnostisch abzuklären ist. Schwieriger ist es, eine qualitative Mangelernährung zu erkennen, die auch als Fehlernährung bezeichnet wird. Sie besteht in einem Mangel irgendeines Nährstoffes und ist demzufolge viel weniger offensichtlich als ein Gewichtsverlust, der Betroffene kann dabei normalgewichtig sein. Immunstatus Im Rahmen der Wundheilung sind die Vorgänge der immunologischen Abwehr von großer Bedeutung. Dementsprechend ergeben sich durch Beeinträchtigungen oder Defekte des Immunsystems eine erhöhte Anfälligkeit für Wundheilungsstörungen und infektiöse Komplikationen. Ursachen für einen schlechten Immunstatus können beispielsweise OP-Traumen, bakterielle oder virusbedingte Infektionen, Mangelernährung, Entero- oder Nephropathien mit erheblichem Eiweißdefizit oder eine zytostatische immundepressive Behandlung sein. sen. Verantwortlich für diese Gewebehypoxie sind einerseits Begleiterkrankungen im Alter wie Krankheiten von Herz, Lunge und Nieren sowie Malnutrition in Form der Protein Energy Malnutrition (PEM). Andererseits sorgen pathologische Mechanismen in einer chronischen Wunde wie etwa Fibrinthromben, entzündliche Ödeme, Vasokonstriktion usw. für das Fortbestehen der lokalen Ischämie. Okklusionsbedingte Ischämie: Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) engen atheromatöse Ablagerungen das Gefäßvolumen ein und führen zu einer okklusiven Ischämie. Ödembedingte Ischämie: Nach Austritt aus der Kapillare ins Interstitium, den mit Wasser gefüllten Raum zwischen den Zellen, muss der Sauerstoff mittels Diffusion die Zelle erreichen. Die Diffusion ist dabei ein grundsätzlich langsamer Prozess, der sich durch Ödeme im Gewebe weiter verlangsamt, wodurch die Sauerstoffversorgung erheblich beeinträchtigt wird. Als Prototyp einer gestörten Wundheilung durch Gewebsödeme gilt das Ulcus cruris venosum. Druckinduzierte Ischämie: Hier gilt ein Dekubitus als Prototyp. Werden gesunde Gefäße der Haut durch Grunderkrankungen Krankheiten mit hemmendem Einfluss auf die Wundheilung sind vorrangig wiederum solche, die die Immunitätslage des betroffenen Organismus beeinträchtigen, wie beispielsweise Tumoren, Autoimmunerkrankungen und Infektionen. Mit einer verzögerten bzw. gestörten Wundheilung muss aber auch bei Bindegewebserkrankungen (z. B. rheumatische Erkrankungen), Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) und Gefäßerkrankungen (z. B. PAVK, venöse Insuffizienz) gerechnet werden. Insbesondere sind Diabetes mellitus sowie arterielle und venöse Gefäßerkrankungen selbst Auslöser von Beinulzerationen. Mangelnde Durchblutung Ein Sauerstoffmangel (Hypoxie) im Wundgebiet kann infolge anhaltender Minderdurchblutung und vollständigem Durchblutungsausfall (Ischämie) zum Zelltod führen. Von der Umgebungsluft bis zu seiner Ankunft in der peripheren Zelle legt der Sauerstoff eine lange Strecke zurück, auf der viele potenzielle Störfaktoren lauern, die zur Bildung und zum Fortbestehen der Ischämie im Wundgebiet beitragen. In chronischen Ulzera wird daher immer eine tiefe Sauerstoffspannung gemesNährstoffspezifische Effekte auf die Wundheilung Jeder Nährstoff übt allein oder in Kombination einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Proteinsynthese und damit auf die Zellproliferation aus. Alle Nährstoffe und Nährstoffbestandteile arbeiten dabei synergetisch zusammen, weshalb es für die Wundheilung so wichtig ist, dass sie auch alle vorhanden sind. Proteine: Werden nicht genügend Proteine und Aminosäuren zugeführt, sistiert die Proteinsynthese und damit das Wachstum von Granulationsgewebe, aber auch von weiteren Zellen der Immunabwehr. Ein Proteinmangel beeinträchtigt daher alle Vorgänge der Wundheilung. Kalorien, Energie: Die chemischen Reaktionen während der Wundheilung sind sehr energieintensiv. Stehen aufgrund von Malnutrition für die Energieproduktion zu wenig Kohlenhydrate zur Verfügung, wird der Stoffwechsel auf katabol umgestellt. Das hat zur Folge, dass hochwertige körpereigene Muskelproteine zur Energiegewinnung abgebaut werden. Dies führt schon nach kurzzeitiger Bettruhe (1 bis 2 Wochen) zu hochgradigem Proteinmangel und Muskelschwund von bis zu 500 g pro Tag. Vitamine: In ihrer Eigenschaft als Coenzyme beeinflussen alle Vitamine die Wundheilung positiv, und der Mangel nur eines einzigen Vitamins kann die Heilung bereits verzögern. Vitamine des B-Komplexes beteiligen sich beispielsweise am Aufbau von Kollagen (Kollagensynthese) und stimulieren die Antikörperbildung sowie die Infektabwehr. Antioxidantien wie Vitamin E und Vitamin C fangen die für die Epithelzellen toxischen sogenannten freien Radikale ab. Vitamin A wirkt bei der Kollagensynthese und -vernetzung. Des Weiteren spielt Vitamin C eine Schlüsselrolle beim Aufbau von Kollagen, aber auch von Interzellulärsubstanz, Gefäßbasalmembranen, Komplementfaktoren und Gammaglobulinen. Mineralstoffe: Bei den Mineralstoffen ist es vor allem ein Zink- oder Eisenmangel, der Störungen verursacht. Zink ist ein zentraler Bestandteil von sog. Metalloenzymen und spielt damit eine entscheidende Rolle bei der Wundheilung. Eisenmangel verursacht eine Anämie und vermindert so den Sauerstofftransport ins Wundgebiet. WISSEN 12 HARTMANN WUNDFORUM 2/2022

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