WUNDFORUM 1/2022

Im Falle einer Verletzung ist der menschliche Organismus in der Lage, verschmutztes, kontaminiertes und abgestorbenes Gewebe (Nekrosen) in einem bestimmten Umfang durch Prozesse der „Autolyse“ zu entfernen. Bei der Autolyse (von griechisch: lysis = (Selbst) auflösung) handelt es sich um eine Art körpereigenen Reinigungsmechanismus, bei dem zellfremdes Material (z. B. Bakterien) oder zelleigenes Material (abgestorbene Körperzellen) mithilfe lysosomaler Enzyme „verdaut“ werden. Ein Beispiel für die lysosomale Verdauung zellfremden Materials ist die Phagozytose, zu der z. B. Leukozyten und Makrophagen im Rahmen der Wundheilungsprozesse während der Entzündungsphase fähig sind. Liegen jedoch größere Mengen an zellfremdem und / oder zelleigenem Material vor, geraten die körpereigenen Reinigungsmechanismen des autolytischen Débridements an ihre Grenzen und müssen durch adäquate Débridementverfahren von außen unterstützt werden. Mögliche Verfahren dazu sind das chirurgische, enzymatische und mechanisch / physikalische Débridement. Warum Wundreinigung so wichtig ist Jede Wundheilung ist dadurch charakterisiert, dass untergegangenes Gewebe zunächst in katabolen Prozessen abgebaut werden muss, bevor die Gefäß- und Gewebsneubildung stattfinden kann. Wie in der Infobox beschrieben, sind dafür zunächst die körpereigenen Abbau- und Reinigungsvorgänge der Autolyse und Phagozytose verantwortlich. Durch zeitgleiche Sezernierung biochemischer Zellen locken sie zudem Zellen für den nachfolgenden Gefäß- und Gewebeaufbau an. Dies bedeutet, dass der Umfang der notwendigen Abbauprozesse direkt mit dem Beginn der Aufbauprozesse, nämlich der Granulationsphase korrespondiert. Die Voraussetzungen für eine physiologisch und zeitgerecht ablaufende Wundheilung liegen deshalb umso günstiger, je weniger Gewebe geschädigt ist und abgeräumt werden muss. Sind dagegen größere Mengen an devitalisiertem Gewebe, an Belägen, Eiter und Exsudat vorhanden, wie dies bei chronischen Wunden in der Regel der Fall ist, ergeben sich folgende Auswirkungen: Der Einstrom von Entzündungszellen wie neutrophilen Granulozyten und Makrophagen in das Wundgebiet hält an. Diese wiederum sezernieren entzündungsfördernde Zytokine, die ihrerseits synergistisch die Produktion vor allem von MatrixMetalloproteasen (MMP) steigern. Proteasen sind spezielle Enzyme, die andere Enzyme an spezifischen Stellen spalten oder ein Protein von den Enden her abbauen. Die Aufgabe von MMP ist es, beschädigte und avitale Bestandteile der extrazellulären Matrix – ein von den Zellen selbst produziertes Netzwerk – abzubauen. Wenn nun jedoch bei chronischen Wunden der Einstrom von Granulozyten und Makrophagen in das Wundgebiet durch die fortdauernde Gewebeschädigung anhält, werden entzündungsfördernde Zytokine im Übermaß freigesetzt, was auch zur überschießenden Produktion von MMP führt. ½ Etwa 2 bis 4 Stunden nach der Verletzung beginnt mit der Entzündungsreaktion die Einwanderung von Leukozyten – überwiegend neutrophile Granulozyten –, die als sog. Phagozyten (Fresszellen) zur Phagozytose von Detritus (Zellabfall) und Keimen befähigt sind und eine erste Reinigung der Wunde einleiten. ½ Im Gefolge der Granulozyten wandern etwa 24 Stunden später Monozyten in das Wundgebiet ein, die sich dort zu Makrophagen ausdifferenzieren, die Phagozytose fortsetzen und durch Sezernierung (Absondern) weiterer Zytokine und Wachstumsfaktoren die weitere Wundheilung vorbereiten. ½ Die Leukozyteneinwanderung sistiert innerhalb von ca. 3 Tagen, wenn die Wunde „sauber“ ist. ½ Kommt es jedoch zu einer Infektion, hält die Leukozyteneinwanderung an und die Phagozytose wird verstärkt. Dies führt zu einer Verlängerung der Entzündungsphase und somit zu einer Verzögerung der Wundheilung. ½ Die mit Detritus beladenen Phagozyten und aufgelöstes Gewebe bilden den Eiter. Die Abtötung von Bakterienmaterial im Zellinneren der Phagozyten kann nur mithilfe von Sauerstoff erfolgen, weshalb eine ausreichende Sauerstoffversorgung im Wundgebiet für die Infektabwehr von zentraler Bedeutung ist. Phagozytose & Infektabwehr 1 2 3 Ablauf der Phagozytose: Nach der Opsonierung des Fremdkörpers („Schmackhaftmachen“) bewegt sich der Phagozyt zielgerichtet auf den Fremdkörper zu [1] und dockt an ihn an. Im nächsten Schritt umschließt der Phagozyt den Fremdkörper mit sog. Pseudopodien, die eine Vakuole (Phagosom) bilden [2] und mit Lysosomen zum Phagolysosomen, quasi dem „Magen der Zelle“, verschmelzen, in dem dann die „Verdauung“ des Fremdkörpers stattfindet [3]. WISSEN 9 HARTMANN WUNDFORUM 1/2022

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