WUNDFORUM 1/2022

Der Überschuss an MMP-Aktivität ist deshalb so kritisch, weil neugebildete Bindegewebsanteile wie Fibronektin und Kollagen gleich wieder abgebaut werden können. Das Gleichgewicht von Gewebeaufbau und -abbau verschiebt sich in den chronischen Wunden zugunsten des Abbaus, die Heilung stagniert. Zusätzlich wird die Wirkung von Wachstumsfaktoren durch die im Überschuss vorhandenen Matrixmetalloproteasen beeinträchtigt. Dies ist eine weitere Ursache dafür, dass die Wundheilungskaskade nicht fortgesetzt werden kann, weil die Mediatoren für die entsprechende Stimulation fehlen. Die Entzündung bleibt bestehen (persistiert). Gleichzeitig infiltrieren toxische Zerfallsprodukte von Gewebe und auch Bakterien das umliegende Wundgebiet, was einen weiteren Gewebsuntergang zur Folge hat und die Chronizität der Wunde unterhält. Darüber hinaus stellt das nekrotische Gewebe einen idealen Nährboden für Keime dar, sodass mit zunehmender Nekrosenbildung die Wahrscheinlichkeit einer Wundinfektion steigt, die wiederum als die schwerste Wundkomplikation gravierende Störungen im Heilungsverlauf zur Folge haben zudem eine Sekundärinfektion gesunden Gewebes bzw. das Fortschreiten einer Infektion verhindert werden, die sich andernfalls zu einer lebensbedrohenden Sepsis ausweiten könnte. Im Falle der chronischen Wunde gilt noch eine besondere Zielsetzung: Hier soll ein Débridement im Idealfall dazu beitragen, pathophysiologische Wundverhältnisse in ein möglichst physiologisches Wundmilieu zu überführen. Unabhängig davon, welches Débridement-Verfahren bei chronischen Wunden zur Anwendung kommt, müssen gleichzeitig Blutversorgung und Mikrozirkulation im betroffenen Hautgebiet weitestgehend normalisiert werden, um die defizitäre nutritive Situation zu beheben, die zum Gewebsuntergang geführt hat. Praktisch bedeutet dies ein kausaltherapeutisches Vorgehen, d. h. die ulkusauslösenden Ursachen sind exakt zu diagnostizieren und adäquat zu behandeln (siehe Tabelle). Das chirurgische Débridement Das Verfahren bedeutet die Exzision bzw. das Abtragen von Nekrosen mithilfe von Skalpell, Kürette, Schere, scharfem Löffel oder Laser. Es wird als die schnellste und effektivste Methode des Débridements bewertet, weil „schlagartig“ alles aus der Wunde entfernt wird, was die Entzündungsprozesse unterhält. Kann gleichzeitig die Mikrozirkulation angeregt werden, wird die chronische Wunde durch das chirurgische Débridement annähernd in den Zustand einer akuten, sauberen Wunde überführt, womit sich die Heilungschancen deutlich verbessern. Allerdings sind gerade bei chronischen Wunden, die in der Mehrzahl multimorbide Alterspatienten betreffen, vielfältige Kontraindikationen gegeben, beispielsweise bei einer Marcumar- bzw. Heparintherapie, bei Fieber, Stoffwechselentgleisungen usw. Nicht selten verweigern aber auch die Patienten die Einwilligung zum chirurgischen Débridement. Dann stellen das mechanisch / physikalische Débridement mithilfe der feuchten Wundbehandlung zur Nekrosenaufweichung und -ablösung und ggf. ein und sogar lebensbedrohliche Formen annehmen kann. Es kann also nicht abgewartet werden, wie gut oder schlecht der betroffene Organismus mit dieser Konstellation fertig wird. Vielmehr sind die körpereigenen Reinigungsmechanismen der Autolyse durch externe Intervention, nämlich mit einem adäquaten Débridement zu unterstützen. Wichtiges zum Débridement Als Débridement – umgangssprachlich auch Wundtoilette – bezeichnet man die Sanierung des Wundbettes durch Entfernen nekrotischen und kontaminierten Gewebes, fibrinöser Beläge, Fremdkörpern und keimbelasteten Exsudats. Dem Begriff liegt das französische Wort „débrider“ für „abzäumen“ zugrunde, das medizinisch die Bedeutung von „einschneiden“ hat. Vorrangiges Ziel des Débridements ist eine saubere, übersichtliche und gut durchblutete Wunde, damit die Heilung in Gang kommen kann. Es soll aber auch eine sichere Wundbeobachtung möglich werden, um eventuell auftretende Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Durch die Entfernung kontaminierten oder infizierten Gewebes kann Kausaltherapien bei häufigen Ulzera Ulcus cruris venosum Kompressionsverband Maßnahmen der Venenchirurgie Ulcus cruris arteriosum Revaskulierung durch gefäßchirurgische Verfahren sowie medikamentöse Therapie allgemeine Durchblutungsförderung z. B. Gefäßtraining, Beintieflage Risikofaktoren für PAVK ausschalten, z. B. Blutdruck senken, Rauchen und Alkoholkonsum meiden Diabetisches Ulkus (angiopathisch) Maßnahmen wie beim arteriellen Ulkus, zusätzlich normnahe Blutzuckereinstellung Diabetisches Ulkus (neuropathisch) vollständige Druckentlastung bis zur Abheilung (Gehhilfen, Rollstuhl, Spezialschuhe, Bettruhe) normnahe Blutzuckereinstellung Dekubitus vollständige Druckentlastung bis zur Abheilung Tabelle nach HARTMANN medical edition „Wunde und Wundbehandlung“ WISSEN 10 HARTMANN WUNDFORUM 1/2022

RkJQdWJsaXNoZXIy NDU5MjM=