WundForum 2/2020

Chronische Wunden entwickeln sich zumeist in jahrelangem, schleichendem Verlauf als Folge von Erkrankungen wie beispielsweise Venen- leiden, peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), Diabetes mellitus oder Tumoren. Aber auch ein Dekubitus stellt eine typische Grundkon- stellation dar. Da von diesen Erkrankungen weit- aus mehr ältere Menschen als jüngere betroffen sind, werden chronische Problemwunden in der geriatrischen Medizin und Pflege zunehmend zu einer Herausforderung. Dies sollte aber weder bei den Betroffenen selbst noch beim behandelnden Arzt und Fach- pflegekräften dazu führen, eine chronische Wunde als altersbedingt und schicksalhaft hinzunehmen. Unabhängig vom Alter und der Prognose hat jeder Betroffene Anspruch auf eine dem aktuellen medizinischen Wissensstand entsprechende Wundbehandlung. Dabei stehen Diagnostik und Evaluierung der verschiedenen Wundentstehungsmechanismen im Vordergrund. Denn im Falle chronischer Problemwunden muss konsequent immer auch die Erkrankung mitbe- handelt werden, die zum Ulkus geführt hat. Dies gilt grundsätzlich für jedes Lebensalter. Bei geriatrischen, häufig multimorbiden Patien- ten unterliegt nun die natürliche Fähigkeit des Organismus zur Wundheilung großen individu- ellen Schwankungen. Sie ist abhängig von den möglichen Auswirkungen vorliegender Alterser- krankungen, aber auch von vielfältigen Einflüssen physiologischer Alterungsprozesse. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass die Wundheilung beim Geriatriepatienten nur durch einen ganz- heitlichen Therapieansatz erfolgreich sein wird, der den Menschen mit all seinen altersbedingten Defiziten und Erkrankungen, seinem psychischen Befinden und seinem sozialen Umfeld einbezieht. Chronisch venöse Insuffizienz – Ursache für das venöse Ulkus Das am häufigsten vorkommende Beingeschwür ist das Ulcus cruris venosum. Es ist Folge einer schweren Stoffwechselstörung in der Haut, aus- gelöst durch verschiedene Venenleiden wie z. B. Krampfadern oder durch Thrombosen geschä- digte Venen (postthrombotisches Syndrom), die unter dem Symptomenkomplex der chronisch venösen Insuffizienz zusammengefasst werden. Vielfach zeigen sich Venenleiden bereits in jün- geren Jahren, sodass das venöse Ulkus eigentlich nicht als typische Problemwunde im Alter ange- sehen werden kann. Die normalen Alterungspro- zesse führen aber auch im Falle von Venenleiden zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes. Der zunehmende Elastizitätsverlust der Venen verstärkt die chronisch venöse Insuffizienz, wodurch es im degenerativ veränderten Hautbin- degewebe schneller zur Ulkusbildung kommt, die das schwerste Stadium der CVI anzeigt. Nicht zuletzt fehlt auch oft die Bewegung, sodass das natürliche „Venentraining“ durch das Gehen wegfällt. Ältere Menschen sitzen viel, was zudem die Ausbildung ulkusfördernden „Was- Chronische Wunden im Alter – Besonderheiten der Wundheilung Die mit dem Alter zunehmende Inzidenz chroni- scher Ulzera wirft die Frage auf, welchen Einfluss bzw. welche Auswirkungen das Alter auf die Wundentstehung und das Wundheilungsgesche- hen hat und was in der ganzheitlichen Behand- lung zu berücksichtigen ist, um auch bei Alters- patienten Heilungserfolge zu erzielen. Der Autor: Professor Dr. med. Walter O. Seiler war bis 2006 Chefarzt der Akut­ geriatrischen Universitäts- klinik Basel und ist heute als Berater und Emeritus Medical Consultant für das Universitätsspital Ba- sel tätig. E-Mail: walter-o. seiler@unibas.ch 7 HARTMANN WundForum 2/2020 Wissen

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