PflegeDienst 3/2020

Als Komplikation aller Infektionskrankheiten kann eine Sepsis (umgangssprachlich Blutvergiftung) auf- treten, wenn eine anfangs begrenzte Infektion auf den gesamten Organismus übergreift. Eine akute Sepsis ist lebensbedrohlich. Die jeweiligen Erreger – meist handelt es sich um Bakterien, es können aber auch Viren, Pilze oder Parasiten ursächlich sein – können dabei von außen in den Körper gelangen, beispielsweise durch eine Verletzung, oder aus dem Körper selbst stammen. Letzteres kann zum Beispiel der Fall sein, wenn nor- malerweise harmlose Darmbakterien in eine Wunde gelangen (z. B. beim Verbandwechsel), durch die neuen Standortbedingungen in der Wunde patho- mit zunehmenden Alter an Effizienz verliert. Dieser Verlust betrifft sowohl die Kontrolle eindringender Pathogene als auch die Eliminierung maligner trans- formierter körpereigener Zellen. Das Immunsystem büßt auch zunehmend die Fähigkeit ein, zwischen „selbst“ und „fremd“ zu unterscheiden. Dies hat zur Folge, dass nicht nur die Prävalenz von Infek- tionen und Malignomen im Alter steigt, sondern auch diejenige von Autoimmunerkrankungen im Alter zunimmt. 2 Zur erhöhten Infektanfälligkeit im Alter tragen aber auch die Abnahme verschiedener Körperfunktionen (z. B. verminderter Hustenstoß), Begleiterkrankungen (z. B. beeinträchtigte Schluck- funktion nach Hirninfarkt, Polyneuropathie bei Diabe- tes mellitus) sowie Medikamentenwirkungen bei. 2 Laut Literatur liegt das Risiko, eine nosokomiale Infektion zu erleiden, bei Über-65-Jährigen bei 20 %, bei Über-75-Jährigen bei 40 %. Zu beobachten sind dabei ganz typische Infektionskrankheiten, die gehäuft die Harnwege, die Atmungsorgane, die Haut und den Verdauungstrakt betreffen. Kurz das Infektionsgeschehen Unter einer Infektion versteht man das Eindringen pathogener Mikroorganismen wie beispielsweise Bakterien, Viren oder Pilze in den Körper, wo sie sich festsetzen und aktiv vermehren. Je nachdem, wie viele Erreger eingedrungen sind (Erregerdosis), wie hoch ihr krankmachendes Potenzial und ihre Infektionskraft ist (Pathogenität und Virulenz), wo sie sich im Körper ansiedeln und schließlich über welche Abwehrkräfte der befallene Mensch verfügt, kann die Infektion „stumm“ (auch „inapparent“), also ohne erkennbare Symptome verlaufen oder aber sich als „Infektionskrankheit“ zeigen. Eine Infektionskrankheit ist meist begleitet von typischen Symptomen wie beispielsweise einer Ent- zündung mit Rötung, Schwellungen und Schmerzen, Eiter, Fieber, Leukozytose (erhöhte weiße Blutkörper- chen), Erbrechen, Durchfall oder Hautveränderun- gen. Meist kommen die einzelnen Symptome durch die Immunantwort des betroffenen Organismus zustande. Die Zeitspanne von der Aufnahme bzw. dem Ein- dringen des Infektionserregers bis zum Sichtbar- werden von Reaktionen und Symptomen wird als Inkubationszeit bezeichnet. Verbleiben die Infektionserreger im Bereich der Eintrittspforte bzw. beschränkt sich das Infektions- geschehen auf einen Körperbereich, spricht man von einer lokalen Infektion. Beispiele hierfür sind Abs- zesse oder Wundinfektionen. Eine systemische Infektion liegt vor, wenn sich die Erreger direkt über Blut- und Lymphbahnen ausbrei- ten und so ganze Organsysteme (z. B. Zentralnerven- system) oder den gesamten Körper infizieren. Die wichtigsten Infektionserreger Bakterien sind einzellige Mikroorganismen, die sich in Größe, Form und Stoffwechsel stark unterscheiden können, deren Zellinneres jedoch nur gering differen- ziert ist. Viele Bakterien bilden Toxine, die die Schädigungen von Gewebe und Blutzellen bewirken. Bemerkenswert ist die ungeheure Geschwindig- keit, mit der sich Bakterien vermehren. Durch Teilung können aus einer ein- zigen Bakterie in zehn Stunden über eine Milliarde Keime werden. Viren können sich im Gegensatz zu Bakterien nicht selbstständig vermehren, sie benötigen dazu eine lebensfähige Wirts- zelle. Das Virus haftet sich an die Wirtszelle an, dringt in sie ein, „programmiert“ das Erbgut der Wirtszelle um und zwingt sie so, neue Viren aufzubauen. Die neuen Viren- partikel treten aus der Wirts- zelle aus, die dabei entweder stark geschädigt oder zerstört wird. Letztere Vorgänge ver- ursachen in der Regel die Anzeichen und Symptome der Infektion. Pilze sind Organismen mit einem Zell- kern (Eukaryo(n)ten) in einer großen Artenvielfalt, von denen allerdings nur wenige als Krankheitserreger für Menschen in Frage kommen, z. B. durch die Absonderung von Enzymen oder Toxinen oder durch Schädigung der Immunabwehr. Da ein gesunder Mensch Pilzinfektionen jedoch gut abwehren kann, handelt es sich bei Dermatomykosen meist um sog. opportunistische Infekte. Dies bedeu- tet, eine Infektion geht erst dann an, wenn der Wirtskörper abwehrge- schwächt ist. 1 nach: The Human Microbiome Project, Baylor College of Medicine, Houston, Texas 2 Nau R: ARS MEDICI 23, 2015 3 Werner H, Kuntsche J: Infection in the elderly – what is diffe- rent? Gerontol Geriatr 2000; 33:350-35 Wissen 9 HARTMANN PflegeDienst 3/2020

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