PflegeDienst 1/2020

Mobilität – lat. für Bewegung – beschränkt sich nicht nur darauf, von A nach B zu kommen. Bewe- gung ist Leben. Sich zu bewegen – körperlich und im übertragenem Sinne auch geistig – ist ein existenziel- les Grundbedürfnis des Menschen. Mobilität ermög- licht es dem Menschen, in vielfältiger Weise auf seine Umwelt einzuwirken. Ein Mangel an Bewegung und Aktivität kann rasch zu körperlichen Schäden sowie psychischen und sozialen Störungen führen. Wie fundamental Bewegung für den Menschen ist, wird zumeist schmerzlich erlebt, wenn natürliche Alte- rungsprozesse, aber auch Krankheiten diese Fähig- keit sowohl auf körperlicher als auch geistiger Ebene begrenzen. Sichtbar wird der fortschreitende Verlust der Mobi- lität durch die geriatrischen I‘s der Instabilität und Immobilität. Im Idealfall wird bei den ersten Anzei- chen versucht, abhängig von der individuellen Situ- ation des Betroffenen die Einschränkungen der phy- sischen wie auch der mentalen Aktivität medizinisch und / oder pflegerisch positiv zu beeinflussen. Lässt sich der fortschreitende Mobilitätsverlust aufhalten oder zumindest verlangsamen, kann dem Betroffe- nen ein Stück Selbstständigkeit und Lebensqualität erhalten werden. Geriatrisches I der Instabilität Instabilität – von lat. instabilis „ohne festen Stand“ – kann dem geriatrischen Patienten auf vielen Ebe- nen gefährlich werden. Häufig sind das Muskel- und Skelettsystem sowie die Wirbelsäule davon betroffen. Dabei kann sich die Instabilität als Folge des nor- malen Alterungsprozesses und der Abnutzung ent- wickeln oder auch durch Krankheit bedingt sein. So tritt beispielsweise die posturale Instabilität (Störung der aufrechten Körperhaltung durch mangelhafte Halte- und Stellreflexe) als Symptom bei verschiede- nen neurologischen Erkrankungen auf, vor allem bei der Parkinson-Krankheit. Instabilität kann sich auch auf Organebene oder emotional-psychischer Ebene einstellen. Dabei kön- nen bereits geringe schädigende Einflüsse große Aus- wirkung auf den alten Menschen haben und ihn aus dem Gleichgewicht bringen, das er oft nur mühsam zurückgewinnt. Dann pfropft sich allzuleicht eine Erkrankung auf die andere auf und führt zu weiteren Komplikationen. Geriatrisches I der Immobilität Der Begriff Immobilität beschreibt eine mehr oder weniger stark eingeschränkte oder aufgehobene Fähigkeit zur Bewegung und wird dementsprechend in eine relative und in eine vollständige Immobilität unterschieden. Eine relative Immobilität kann bei- spielsweise durch sedierende Medikamente, Fraktu- ren, starke Schmerzzustände, Halbseitenlähmung, Sensibilitätsstörungen unterschiedlichster Ursachen oder Systemerkrankungen des Bewegungsapparates ausgelöst werden. Eine vollständige Immobilität tritt zum Beispiel bei Bewusstlosigkeit, Narkose oder voll- ständiger Lähmung ein. Besonders zu beachten ist, dass Immobilität der bedeutendste Risikofaktor für die Entstehung eines Dekubitus ist. Dabei nimmt die Gefährdung ent- sprechend dem Grad der Immobilität des Patienten zu: Sind bei vollständiger Immobilität keinerlei Spon- tanbewegungen mehr möglich, die zu einer Druck- entlastung der Haut führen, ist der Patient absolut gefährdet. Ist bei relativer Immobilität die Fähigkeit zu druckentlastenden Spontanbewegungen mehr oder weniger eingeschränkt, besteht ein hohes Gefährdungspotenzial, vor allem nachts, weil Körper- bewegungen praktisch auf Null sinken. Immobilität ist oft gepaart mit Instabilität, sodass auch die Sturzgefahr groß ist. Obwohl altersassozi- ierte Stürze immer als ein multifaktorielles Geschehen verschiedenster Ursachen zu verstehen sind, spielen Immobilität und Instabilität eine besonders unheil- volle Rolle dabei. Etwa ein Drittel der Menschen über 65 Jahre stürzt mindestens einmal pro Jahr. Circa 20 Der Weg in die Bettlägerigkeit Mit diesem Phasenverlauf soll der fortschreitende Verlust der Mobilität bis hin zur Bettlägerigkeit aufgezeigt werden. Phase 1 Zunehmende Instabilität: Viele Ursachen wie z. B. (Poly-) Arthro- sen, Abnahme der Muskelkraft und / oder Altersschwindel tragen zur Instabilität und Gangunsicherheit bei. Dies löst Ängste und Unsicherheiten aus, der Betroffene bleibt lieber zuhause. Mobili- tät wird freiwillig eingeschränkt. 2 Ereignis: Wenn regelmäßige Bewegung unterbleibt und die Gangunsicherheit wächst, ist ein Sturz nicht mehr weit. Dieser führt zu weiteren Mobilitätseinschränkungen mit allen negativen Folgen. Weitere schwerwiegende Probleme hinterlässt ein Sturz mit Fraktur, der oft in die Pflegebedürftigkeit führt. 3 Immobilität im Raum: Durch das Sturzereignis wird der Betrof- fene so unsicher, dass er Bewegung vermeidet. Denn, „ein Sturz im Alter bricht nicht nur die Knochen, sondern auch das Selbst- vertrauen“. Der Tag wird überwiegend sitzend oder liegend ver- bracht, Hilfe bei der Fortbewegung ist notwendig. 4 Fixierung auf einen Ort: Ein selbstständiger Ortswechsel ist nun kaum/ nicht mehr möglich, sodass auch die Abhängigkeit von der jeweiligen Pflegeperson steigt. Ein weiterer, starker Mobili- tätsverlust ist die Folge. 5 Vollständige Immobilität: Um Ortswechsel zu vermeiden, verla- gert sich der Lebensraum des Betroffen meist vollständig auf das Bett, das er häufig gar nicht mehr oder lediglich für einige Stun- den verlässt. Er ist völlig von der Pflegeperson abhängig, womit oft auch ein Verlust der Privatsphäre einhergeht. Quelle: wohnen-im-alter.de Schwerpunkt 5 HARTMANN PflegeDienst 1/2020

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