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Augen auf! Störfaktoren der Wundheilung erkennen

Schweren Verläufen durch frühzeitige Diagnose vorbeugen

Mit hilfreicher Checkliste zur Erkennung von Wundheilungs-Störungen

Die Heilung von Wunden beruht auf der Fähigkeit der Haut zur Regeneration von Epithelien und zur Reparation von Hautbindegewebe, sodass sie sich im Falle einer Durchtrennung oder Verletzung selbst heilen kann.

Diese Fähigkeit unterliegt jedoch großen Schwankungen – sie ist abhängig von einer Reihe an Faktoren, wobei gerade auch die Art und Weise der Behandlung einen großen Einfluss hat.

Chronische Wunden und gerade auch manifestierte Wundinfektionen sind aufgrund der teilweise schweren Verläufe gefürchtet und können viel Aufwand und Leid mit sich bringen – sowohl für Patientinnen und Patienten als auch Behandelnde.

Daher gilt, wie in fast allen medizinischen Bereichen, auch hier: Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung verbessert die Prognose!

Laden Sie auch unsere hilfreiche Checkliste "Wundheilungsstörungen frühzeitig erkennen" herunter!

Symptome und Besonderheiten von systemischen Wundheilungsstörungen

Nachfolgend stellen wir Ihnen typische Symptome und Besonderheiten von systemischen Wundheilungsstörungen sowie deren wichtigste Einflussfaktoren vor, sodass Ihnen das Erkennen drohender Schädigungen erleichtert wird.
Mit Infoblatt "Im Alter häufige Ulzera - Ursachen und Lokalisation" Alter des Patienten

Mit Infoblatt "Im Alter häufige Ulzera - Ursachen und Lokalisation"

Erkenntnisse aus der klinischen Forschung lassen den Schluss zu, dass das physiologische Altern die Wundheilungsprozesse durch die allgemein reduzierten Zellaktivitäten vor allem zeitlich verzögert.

Eigentliche Wundheilungsstörungen ergeben sich aber zumeist erst durch die Auswirkungen altersbedingter Multimorbidität mit schlechtem Immunstatus und oft anzutreffender Mangelernährung. Gehäuft treten im Alter auch Geschwürswunden als Folge von Stoffwechselerkrankungen, Gefäßleiden und Tumoren auf. In diesen Fällen ist mit einer entsprechend schlechten Heilungstendenz zu rechnen.

Malnutrition

Mangelernährung oder auch Malnutrition zählt zu den häufigsten Komorbiditäten des älteren Menschen. Sie verursacht nicht nur eine lange Reihe von Sekundärkomplikationen, welche die Lebensqualität stark vermindern, sondern gilt auch als wichtiger Störfaktor der Wundheilung.

Gerade in Bezug auf Dekubitus gilt eine Malnutrition als schwerwiegender sekundärer Risikofaktor. Nicht zu vergessen ist auch die nicht immer ganz so leicht erkennbare qualitative Mangelernährung. Sie besteht in einem Mangel eines bestimmten Nährstoffes und ist demzufolge nicht unbedingt mit einem Gewichtsverlust verbunden.

Immunstatus

Im Rahmen der Wundheilung sind die Vorgänge der immunologischen Abwehr von großer Bedeutung. Dementsprechend ergeben sich durch Beeinträchtigungen oder Defekte des Immunsystemseine erhöhte Anfälligkeit für Wundheilungsstörungen und infektiöse Komplikationen.

Ursachen für einen schlechten Immunstatus können beispielsweise

  • OP-Traumen,
  • bakterielle oder virusbedingte Infektionen
  • Mangelernährung, Entero- oder Nephropathien mit erheblichem Eiweißdefizit
  • oder eine zytostatische immundepressive Behandlung sein.
Grunderkrankungen

Krankheiten mit hemmendem Einfluss auf die Wundheilung sind vorrangig wiederum solche, die die Immunitätslage des betroffenen Organismus beeinträchtigen, wie beispielsweise Tumoren, Autoimmunerkrankungen und Infektionen.

Mit einer verzögerten bzw. gestörten Wundheilung muss aber auch bei Bindegewebserkrankungen (z. B. rheumatische Erkrankungen), Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) und Gefäßerkrankungen (z. B. PAVK, venöse Insuffizienz) gerechnet werden. Diabetes mellitus sowie arterielle und venöse Gefäßerkrankungen können auch selbst die Auslöser von Beinulzerationen sein.

Mangelnde Durchblutung

Ein Sauerstoffmangel (Hypoxie) im Wundgebiet kann infolge anhaltender Minderdurchblutung und vollständigem Durchblutungsausfall (Ischämie) zum Zelltod führen. In chronischen Ulzera wird daher immer eine tiefe Sauerstoffspannung gemessen. Verantwortlich für diese Gewebehypoxie sind einerseits Begleiterkrankungen im Alter, wie z. B. Krankheiten von Herz, Lunge und Nieren, sowie Malnutrition in Form der Protein Energy Malnutrition (PEM).

Andererseits sorgen pathologische Mechanismen in einer chronischen Wunde wie etwa Fibrinthromben, entzündliche Ödeme, Vasokonstriktion usw. für das Fortbestehen der lokalen Ischämie. Man unterscheidet verschiedene Formen der Ischämie:

  1. Okklusionsbedingte Ischämie:

    Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) engen atheromatöse Ablagerungen das Gefäßvolumen ein und führen zu einer okklusiven Ischämie.

  2. Ödembedingte Ischämie:
    Nach Austritt aus der Kapillare ins Interstitium muss der Sauerstoffmittels Diffusion die Zelle erreichen. Die Diffusion ist dabei ein grundsätzlich langsamer Prozess, der sich durch Ödeme im Gewebe weiter verlangsamt, wodurch die Sauerstoffversorgung erheblich beeinträchtigt wird. Als Prototyp einer gestörten Wundheilung durch Gewebsödeme gilt das Ulcus cruris venosum.

  3. Druckinduzierte Ischämie:
    Hier gilt ein Dekubitus als Prototyp. Werden gesunde Gefäße der Haut durch einen externen Druck, z. B. durch den Auflagedruck einer harten Matratze komprimiert, sinkt die transkutane Sauerstoffspannung schnell auf null und Nährstoffe fehlen. Durch die Unterversorgung sterben die Gewebezellen ab und es sammeln sich saure Stoffwechselprodukte im Gewebe an. Bei einigen Menschen entwickelt sich so schon innerhalb weniger Stunden ein Dekubitus.

Medikamente

Verschiedene Pharmaka üben direkt einen negativen Einfluss auf die Wundheilung aus, wobei vor allem Immunsuppressiva, Zytostatika, Antiphlogistika (hauptsächlich Glukokortikoide) und Antikoagulanzien zu nennen sind.

Entsprechend der Hemmwirkung der verschiedenen Substanzen auf die Blutgerinnung, Entzündungsprozesse und Proliferation werden insbesondere Granulations- und Narbenbildung beeinflusst, sodass mit einer herabgesetzten Reißfestigkeit der Wunde gerechnet werden muss. Allerdings sind die Auswirkungen auf die Reparaturmechanismen des Gewebes abhängig von der Dosis, vom Zeitpunkt der Gabe und der Therapiedauer.

Psychosoziale Situation des Patienten

Die Wundheilung, vor allem die Heilung stoffwechselbedingter chronischer Wunden, wie beispielsweise diabetische Ulzera, erfordert ein großes Maß an Mitarbeit vonseiten der PatientInnen.

Die individuelle, psychosoziale Situation schafft jedoch sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen im Hinblick auf die Verständnisfähigkeit der PatientInnen und der Motivation, an der Behandlung mitzuarbeiten.

Gerade auch bei demenziellen Erkrankungen ist mit einer adäquaten Adhärenz seitens der PatientInnen nicht zu rechnen – hier ist eine besondere Aufmerksamkeit gefordert. Des Weiteren zeigen auch Alkohol- und Nikotinabusus sowie Drogenzufuhr negative Einflüsse auf die Wundheilung.

Abgesehen von der gefäßschädigenden Komponente des Drogenmissbrauchs (Arteriosklerose, schwere Durchblutungsstörungen) weist diese Patientengruppe häufig einen schlechten Allgemeinzustand mit reduzierter Immunitätsabwehr und schlechtem Ernährungszustand auf.

Lokale Einflüsse

Wundzustand

Zur Beurteilung des Wundzustandes und den sich daraus ergebenden Risiken sind eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen:

  • Entstehung und Ausmaß der Schädigung
  • Zustand der Wundränder, Zustand des Wundgrundes
  • Beschaffenheit der Exsudation
  • Ausmaß der Keimbesiedelung bzw. Infektionsanzeichen
  • Lokalisation der Wunde und „Alter“ der Wunde.

Bei operativ gesetzten Wunden ergeben sich neben dem individuellen Risikoprofil lokale Einflussfaktoren durch

  • die Art des Eingriffs mit ihren unterschiedlichen hygienischen Risiken
  • die Lokalisation der Operation
  • die Dauer und die Art der Operationsvorbereitung
  • den Hygienestatus und die Qualität des Hygienemanagements im OP
  • die Operationstechniken sowie die Dauer der Operation.

Einzeln oder in der Summe können sie zu postoperativen Wundkomplikationen führen, die sich meist in typischen Formen manifestieren (siehe Abb. 1). Zur Versorgung sehr stark exsudierender Wunden, zu denen auch chirurgische Wunden gehören können, eignet sich übrigens die besonders saugfähige Superabsorber-Wundauflage RespoSorb® Super, die auch als Wundverband unter Kompressionsverbände genutzt werden kann.

Beispiele von Wunden

Wundhämatom
Abb. 1: Ausgedehntes Wundhämatom
Wunddehiszenz
Abb. 3: Wunddehiszenz bei Patientin mit massiver Adipositas
Wundrand-Nekrose
Abb. 2: Wundrandnekrosen und Nahtdehiszenz einer Oberbauchlaparotomie bei Z. n. Lebertransplantation und Immunsuppression
Wundnekrose am Knie
Abb. 4: Ausgedehnte Wundrand- und Weichteilnekrosen bei Z. n. Kniegelenksexartikulation bei schwerer PAVK (Szilagy II)

Weitere lokale Einflüsse

Qualität der Wundbehandlung

Bedeutenden Einfluss auf die Wundheilung hat nicht zuletzt aber auch die Qualität des Wundmanagements. Je nach Wundart und Genese erfordert das Wundmanagement dabei die unterschiedlichsten therapeutischen Maßnahmen: chirurgische Eingriffe zur Versorgung akuter Traumen ebenso wie komplexe Kausaltherapien zur Beeinflussung chronischer Wundverhältnisse oder eine sachgerechte Verbandbehandlung.

Ein gutes Wundmanagement berührt viele medizinische Disziplinen, und nicht selten sind Erfolge bei der Wundbehandlung nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich.

Wundinfektion

Die Wundinfektion gilt als die schwerste Wundheilungsstörung und wird als Versagen der humoralen und zellulären Infektabwehr definiert.

Die chirurgische Wundinfektion (surgical site infection) wird laut der Definition der Centers for Disease Control and Prevention in drei Gruppen eingeteilt:oberflächlich, tief und organbezogen.

Im Allgemeinen gilt eine Zahl von 105 Keimen pro Gramm Gewebe als therapiebedürftige Infektion, wobei die Virulenz der Erreger eine wichtige Rolle spielt und die Therapieentscheidung meist anhand des klinischen Bildes getroffen wird.

Wie Sie Wundinfektionen erkennen, erfahren Sie in diesem Beitrag. Das Keimspektrum richtet sich hauptsächlich nach Lokalisation und Alter der Wunde. An Extremitäten, Thorax und im Gesichts- und Halsbereich finden sich meist Staphylokokken, während am Abdomen häufiger Mischinfektionen mit Enterobakterien auftreten.

Mit zunehmendem Wundalter tritt ein Wechsel der Flora von Staphylokokken zu Enterobakterien und gramnegativen Erregern auf.

Chronische Heilungsverläufe

Benötigt eine Wunde trotz adäquater kausaler und lokaler Behandlung zur Heilung mehr als acht bis zwölf Wochen Zeit und bleibt der Zustand der Wunde unverändert oder verschlimmert sich, spricht man von einer chronischen Wunde.

Der Übergang von einer akuten Wunde zur chronischen Wunde kann dabei in jeder Wundheilungsphase erfolgen. Mehrheitlich entwickeln sich Wunden jedoch aus fortschreitenden Gewebezerstörungen infolge von Grunderkrankungen.

Dazu zählen beispielsweise venöse oder arterielle Durchblutungsstörungen, Diabetes mellitus, lokale Druck- oder Strahlenschädigungen sowie immunologische oder maligne Erkrankungen.

Obwohl das Erscheinungsbild chronischer Ulzerationen sehr heterogen ist, sind die ursächlichen pathophysiologischen Mechanismen ähnlich. Alle zugrunde‐liegenden Gefäßschädigungen, auch wenn sie unterschiedlicher Genese sind, münden letztlich in Ernährungsstörungen des Hautbindegewebes mit zunehmender Hypoxie und Ischämie – die Folge ist der Zelltod mit der Ausbildung von Nekrosen.

Allen chronischen Wunden ist auch gemeinsam, dass sie in hohem Maße infektionsgefährdet sind. Insgesamt ist die Problematik der Entstehung, Diagnose und Behandlung chronischer Wunden äußerst komplex.

Identifikation von Störfaktoren

An dieser Stellemöchten wir Ihnen Hilfestellungen für den Praxisalltag mit auf den Weg geben, um schnellstmöglich Wundheilungsstörungen zu erkennen.

Den ganzen Menschen einbeziehen

Eine exakte Aufnahme der Anamnese steht am Anfang, um eine ganzheitliche Behandlung zu erreichen. Dabei interessieren in erster Linie Kenntnisse über Sozialstatus, Ernährungsgewohnheiten, Krankheiten, Medikamente, Konsum von Drogen und Alkohol sowie über ein mögliches Artefakt.

Medizinische Untersuchung

Eine regelmäßige medizinische Untersuchung wird Krankheiten entdecken, welche die Wundheilung beeinträchtigen. Hierzu zählen etwa Störungen der Schilddrüsenfunktion, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, chronische Lungenkrankheiten und andere.

Laboruntersuchungen

Periodische Laboruntersuchungen sind bei minimaler oder fehlender Heilungstendenz angezeigt. Dadurch können ansonsten relativ symptomarme Störfaktoren, wie zum Beispiel Zinkmangel, Hypalbuminämie, Elektrolytstörungen, Anämie, Lymphopenie, Vitamin-B12-Mangel, Hyperhomocysteinämie, Folsäuremangel und viele mehr erfasst werden.

Wundfläche beobachten

Um Störfaktoren zu erkennen, werden Wundfläche, Wundrand und weitere Wundumgebung genau beobachtet.
Dabei fallen zum Beispiel die folgenden Merkmale der gestörten Wundheilung auf:

  • schlechte Heilungstendenz mit stationärem oder einem sich verschlechternden Wundzustand über Wochen und Monate
  • mangelhafte oder fehlende Epithelisierung mit hypertrophen Wundrändern bei defektem Mi‐grationspotenzial der Epithelzelle
  • blasser Wundgrund als Zeichen mangelnder Gefäßneubildung
  • fehlende Granulation
  • schmierige Wundbeläge mit rezidivierenden Infektionen und Nekrosebildungen aufgrund von Malnutrition mit niedrigen Albuminwerten und Lymphozytenzahlen
  • übermäßige Fibrinbeläge als Hinweis auf Fibrinpersistenz bei verminderter fibrinolytischerAktivität.

Referenzen:

Dieser Artikel basiert auf:

Jannasch O et al., Störungen der Wundheilung, HARTMANN Wundforum 1/2012; Seile W O, Chronische Wundheilung im Alter – Wirkungsweise und Erkennen von Störfaktoren, HARTMANN WundForum 1/2010

Seiler W O, Chronische Wunden im Alter – Besonderheiten der Wundheilung, HARTMANN WundForum 2/2020; HARTMANN medical edition „Kompendium Wunde und Wundbehandlung“

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