WUNDFORUM 2/2023

Patienten und in Pflegeheimen bis zu 25 % der Bewohner mangelernährt sind. Laut statistischem Bundesamt sind 25 % der über 11 Millionen Krankenhauspatienten mangelernährt oder haben ein hohes Risiko für Mangelernährung, was einer Betroffenenzahl von rund 2,8 Millionen entspricht. Dies sind alarmierende Zahlen, die dringend Handlungsbedarf erfordern. Wer ist gefährdet? Die Risikogruppe ist groß. Mangelernährung bzw. die Gefahr ihrer Entstehung betrifft besonders betagte und dabei vor allem alleinstehende Menschen, geriatrische Patienten aufgrund der häufig bestehenden Sarkopenie (= nicht beabsichtigter Verlust der Skelettmuskulatur, verbunden mit einer Abnahme an Körperkraft), Patienten mit bösartigen Tumoren, insbesondere solchen, die mit einer Störung der Nahrungsaufnahme einhergehen, und Patienten mit chronischen Infektionen, aber auch Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen wie AlzheimerDemenz oder Morbus Parkinson. Was sind die Ursachen? Die Ursachen für Mangelernährung sind vielfältiger Natur, zum Beispiel ½ Appetitmangel durch ein vermindertes Geschmacksempfinden, ½ nachlassendes Hungergefühl, nicht selten bedingt durch die Einnahme von Medikamenten, ½ Störungen der Kaufunktion durch Probleme mit schlecht sitzenden Gebissprothesen, Nährstoffspezifische Effekte auf die Wundheilung Um zu verstehen, warum Mangelernährung die Wundheilung schwerwiegend stören kann, sind die spezifischen Effekte der einzelnen Nährstoffe auf die Wundheilung zu betrachten. Denn jeder Nährstoff übt allein oder in Kombination einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Proteinsynthese und damit auf Gewebewachstum und -vermehrung (Zellproliferation) aus. Alle Nährstoffe arbeiten dabei synergetisch zusammen, weshalb es für die Wundheilung so wichtig ist, dass auch alle vorhanden sind. Proteine als Bausteine für die Zellen Ohne genügend Proteine und ihre Bestandteile, die Aminosäuren, sistieren der Aufbau von Binde- und Granulationsgewebe sowie die Zellproliferation. Darüber hinaus werden Aminosäuren zur Produktion von Enzymen, Immunglobulinen und Antikörpern benötigt. Ein Proteinmangel beeinträchtigt daher ausnahmslos alle Vorgänge der Wundheilung. Da der Körper einige Aminosäuren nicht selber herstellen kann, ist er auf die Zufuhr dieser essenziellen Nährstoffe angewiesen. Eine ausreichende Proteinversorgung gelingt aber nur bei anaboler Stoffwechsellage ohne Infektionen / konsumierende Krankheiten. Der wichtigste erste Schritt in der Wundbehandlung besteht daher in der Umstellung des Stoffwechsels von katabol auf anabol, indem (möglichst) alle bestehenden Krankheiten und ½ Schluckbeschwerden, ½ Verdauungsprobleme, die die Ausnutzung der Nährstoffe aus den Lebensmitteln verschlechtern. Aber auch psychische Probleme können Ursache sein. Heimbewohner, die beispielsweise aufgrund von Schluckbeschwerden Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme haben, können das Essen in der Gemeinschaft als unangenehm und beschämend empfinden. Bei zu Hause lebenden Senioren spielt eine eingeschränkte Mobilität, die sowohl die Beschaffung von Lebensmitteln als auch die Zubereitung der Mahlzeiten erschwert, eine große Rolle. Hinzu kommen oft Einsamkeit und das Gefühl, dass es sich gar nicht mehr lohnt, für sich alleine zu kochen. Und nicht zuletzt kann ein geringes Einkommen dazu führen, dass am Essen gespart werden muss. Wie jüngst durch die Presse ging, haben insbesondere die gestiegenen Lebensmittelpreise offenbar Folgen für die Ernährung der Deutschen. Laut einer Umfrage (Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat) kann es sich jeder Neunte nicht leisten, alle zwei Tage Fleisch, Fisch oder eine vegetarische Alternative zu essen. Zusammengefasst: Die soziale, finanzielle und psychische Situation verschlechtert sich in der Regel mit zunehmendem Alter. Und dieser Umstand stellt wahrscheinlich den Hauptrisikofaktor für Krankheit, Katabolismus und Malnutrition im Alter dar. Wichtiges zur Mangelernährung Steigert das Risiko für ½ Depression ½ Pseudodemenz ½ Delirium ½ Pneumonie ½ Stürze ½ Frakturen ½ Kontrakturen ½ Dekubitus ½ Unselbstständigkeit ½ Verwahrlosung ½ Krankenhauseinweisung Wie erkennt man sie? Sieben Schlüsselfragen zur einfachen, aber wirkungsvollen Erkennung: ½ Ist ein ungewollter Gewichtsverlust festzustellen? ½ Wird das Essen oft nicht aufgegessen? ½ Wird weniger als 1,5 Liter Flüssigkeit am Tag getrunken? ½ Kommt es häufig zu Durchfall (mehr als 3 x pro Woche)? ½ Liegen Wundheilungsstörungen oder ein Dekubitus vor? ½ Fallen Kauen und Schlucken schwer? ½ Liegt der Body Mass Index unter 20? Der Kreislauf der Mangelernährung Appetitlosigkeit Krankheiten Schwächung der Immunabwehr Höhere Infektionsanfälligkeit Bedarf an Nährstoffen/ Flüssigkeit wird nicht gedeckt Untergewicht Mangelernährung WISSEN 4 HARTMANN WUNDFORUM 2 / 2023

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