DESINFACTS | Ausgabe 1/2023

FORUM 10 Kurz informiert Neues aus der Wissenschaft Bislang wurde angenommen, dass sich Magen-Darm-Viren wie Noro- oder Rotaviren vorwiegend fäkal-oral – also durch die Ausscheidung mit dem Stuhl und die orale Aufnahme von Viruspartikeln z. B. über die Hände – verbreiten. Eine 2022 in Nature veröffentlichte Studie zeigte nun erstmals: Die Infektion über Speichel stellt einen zweiten bedeutsamen Übertragungsweg dar [1]. Das US-amerikanische Autorenteam demonstrierte in Mäusen und menschlichen Speicheldrüsenzellen, dass diese Darmviren die Speicheldrüsen äußerst effektiv befallen und die darin erreichten Virustiter denen im Darm entsprechen. Die Freisetzung der Viren in den Speichel ermöglicht somit die Weitergabe von Mensch zu Mensch beim Sprechen, Niesen, Husten und Küssen (Tröpfcheninfektion) – und das offensichtlich sogar in Abwesenheit von Krankheitssymptomen wie Durchfall. Außerdem übertragen infizierte Säuglinge die Darmviren über ihren Speichel während des Säugens direkt in die Milchdrüsen der Mütter [1]. Um die Verbreitung von Norovirus, Rotaviren und Co. bei Ausbrüchen zukünftig wirkungsvoll einzudämmen, können zusätzliche Hygienemaßnahmen notwendig sein. Darmerreger wie Noro- und Rotaviren durch Speichel übertragbar Im Februar 2023 veröffentlichte der Verbund für Angewandte Hygiene (VAH), die Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und die Gesellschaft für Virologie (GfV) aktualisierte Anforderungen an die viruzide Wirksamkeit [2]. Die bisherigen Kennzeichnungen „begrenzt viruzid“, „begrenzt viruzid PLUS“ und „viruzid“ stellen gemäß VAH, DVV und GfV nicht sicher, dass Produkte mit der gleichen Auslobung auch die gleichen Tests durchlaufen hätten. Besonders im Bereich der Flächendesinfektion unterschieden sich z. B. die Anforderungen an die Auslobung „viruzid“ zwischen EN-Normen und den Testmethoden nach VAH und DVV/GfV. Durch die Einführung der neuen Kennzeichnung „viruzid PLUS“ soll nun eine Harmonisierung der bestehenden Testmethoden erreicht und die Vergleichbarkeit erhöht werden. Die neue Auslobung „viruzid PLUS“ schließt die bisherige „viruzide“ Wirksamkeit ein und ergänzt diese um praxisnahe Testungen mit dem murinen Parvovirus. „Viruzid“ ausgelobte Desinfektionsmittel bleiben weiterhin für die meisten Anwendungen ausreichend, während „viruzid PLUS“ ausgelobte bei speziellen, besonders umweltstabilen Erregern eingesetzt werden sollen, wie Hepatitis-A/-E-Viren, Parvoviridae oder onkolytischen Parvoviren in der Gentherapie. Es scheint unwahrscheinlich, dass aufgrund der eingeschränkten Einsatzbereiche „viruzid PLUS“ der neue Standard in der Praxis wird. Produkte mit den Auslobungen „begrenzt viruzid“, „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“ werden sicherlich weiterhin die Regel sein. Die Auswahl erfolgt wie bisher nach den Anforderungen in der Praxis, sodass die Patientensicherheit gegeben ist. VAH, DVV und GfV: Neue Auslobung „viruzid PLUS“ Mehr zu den verschiedensten Erregern und ihren Übertragungswegen erfahren Sie in unserer Erregersuche von A-Z. Quellen: 1. Ghosh S et al. (2022) Enteric viruses replicate in salivary glands and infect through saliva. Nature;607: 345-350. https://doi.org/10.1038/s41586-022-04895-8 2. https://vah-online.de/files/download/vah-mitteilungen/VAH_Mitteilung_ViruzidPlus_Desinfektion_Web_250223.pdf (abgerufen am 04.04.2023) Mehr zum Thema finden Sie unter https://www.hartmann-science-center. com/de-de/hygienewissen/ viruzid PLUS + spezielle Viren wie z. B. HAV, HEV, Parvoviridae viruzid + einige unbehüllte Viren wie z. B. Papillomaviren, Picornaviridae begrenzt viruzid PLUS + Adenovirus + Rotavirus + Norovirus begrenzt viruzid behüllte Viren

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