DESINFACTS | Ausgabe 2/2022

7 STUDIEN Frühe Besiedelung nicht nach dem Zufallsprinzip Das Mikrobiom im Krankenhaus Unter demMikrobiom versteht man die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die einen genau definierten Lebensraummit bestimmten Eigenschaften – also Mensch, Tier oder auch Innenraum – besiedeln [1]. Da der moderne Mensch einen Großteil seiner Zeit in geschlossenen Räumen verbringt, beeinflussen sich auch die Mikrobiome von Mensch und Raum gegenseitig und es kommt zu einem ständigen Austausch von Mikroorganismen. Gerade das Mikrobiom in Krankenhäusern wirkt sich entscheidend auf die Gesundheit aus, weil es nosokomiale Infektionen und die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen beeinflussen kann. Wie sich das Mikrobiom auf einer neu eröffneten Krankenhausstation über 30 Wochen nach der Erstaufnahme von Patientinnen und Patienten verändert, untersuchte kürzlich eine longitudinale Studie an der Berliner Charité [2]. domonas sp. (Fußboden), E. coli und S. aureus (Türgriff) sowie Veillonella rogosae und Streptococcus sp. (Waschbecken) zu den häufigsten Spezies. Auch wenn kein Anstieg pathogener Bakterien festgestellt wurde, nahmen Antibiotika-Resistenz-Gene (ARG) in typischen Keimen der Fußbodenproben kontinuierlich zu. Allerdings ist unklar, ob diese aus lebenden Bakterien stammten und überhaupt von humanpathogenen Bakterien integriert werden könnten Die Studie gibt interessante neue Einblicke in verschiedene Aspekte des Umweltmikrobioms im klinischen Umfeld. Auch wenn die genaue Bedeutung einiger Ergebnisse, wie z. B. der Zunahme von ARG, nicht klar ist, können die Ergebnisse dazu beitragen, Strategien zur Infektionskontrolle in Gesundheitseinrichtungen anzupassen. Fußböden, Türgriffe und Waschbecken im Visier Um die Dynamik der Besiedelung durch Mikroorganismen zu verstehen, nahm das Forschungsteam vor der Eröffnung und in den ersten 30 Wochen nach Belegung wöchentlich Proben. Ausgewählt wurden drei verschiedenen Standorte in Patientenzimmern, an denen viele und diverse Organismen zu finden sind: Fußboden, Türgriff und Waschbecken. Die Proben wurden jeweils in neun Patientenzimmern der Station genommen, und zwar mindestens zwei Stunden nach der täglichen Desinfektion. Zum Vergleich mit dem Mikrobiom der Patient/innen wurden zusätzlich insgesamt 408 Abstriche (nasal, rektal sowie von Ellenbogen und Handflächen) gesammelt. Anschließend untersuchte das Team alle gesammelten Proben sowie Negativkontrollen mittels genetischer Methoden auf die Keimzusammensetzung und führte Netzwerkanalysen zum Erkennen nicht-zufälliger Interaktionen durch [2]. Mikrobiom nach wenigen Wochen weitgehend stabil Die Analysen zeigten, dass Diversität und bakterielle Biomasse der Flächenproben vor allem in den ersten 7 Wochen zunahmen. In dieser Anfangszeit fand auch ein besonders hoher Austausch zwischen Umgebung und Patientenmikrobiom statt. Anschließend blieb das Mikrobiom weitestgehend stabil, unabhängig von den neu aufgenommenen Patienten und deren individuellen Mikrobiomen. Gegen Studienende wurde eine leichte Abnahme der Biomasse beobachtet, was vermutlich saisonal bedingt gewesen ist [2]. Kein Anstieg pathogener Keime, aber mehr Antibiotika-Resistenz-Gene in Fußbodenproben Während anfangs Flavobakterien imMikrobiom aller drei Standorte dominierten, zählten später Acinetobacter sp. und PseuQuellen: 1. Berg G et al. (2020) Microbiome definition re-visited: old concepts and new challenges. Microbiome;8: 103. https://doi.org/10.1186/s40168-020-00905-x 2. Klassert TE et al. (2021) Bacterial colonization dynamics and antibiotic resistance gene dissemination in the hospital environment after first patient occupancy: a longitudinal metagenetic study. Microbiome;9: 169. https://doi.org/10.1186/s40168-021-01109-7 Fußboden Anzahl Antibiotika-Resistenz-Gene Wochen 10 15 20 Türgriff 0 1 3 5 Waschbecken 7 11 16 23 30 0 Ausbreitung von Antibiotika-Resistenz-Genen (ARG) an den drei Standorten im Zeitverlauf [2] 5

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