DESINFACTS | Ausgabe 2/2022

WISSEN 20 Louis Pasteur hat die Welt besser gemacht. Die Erkenntnisse des Franzosen haben die Medizin revolutioniert, Millionen Menschen das Leben gerettet und Forschergenerationen inspiriert. Und einen Unternehmer im fernen Heidenheim brachte er vor rund 150 Jahren auf die entscheidende Geschäftsidee: Sie veränderte die Chirurgie nachhaltig. Universalforscher und erster Infektiologe 200 Jahre Louis Pasteur Als der kleine Louis am 27. Dezember 1822 in der französischen Provinz seinen ersten Atemzug machte, waren Mikroorganismen bereits bekannt. Die Vorstellung, dass diese winzigen, nur mithilfe eines Mikroskops sichtbaren „Mikroben“ einem stattlichen Lebewesen wie uns Menschen gefährlich werden könnten, wollte die Fachwelt aber nicht teilen. Die Medizingelehrten hingen lieber der Idee an, Krankheiten würden sich über „Miasmen“ – üble Gerüche, Ausdünstungen der Erde – verbreiten. Als Louis Pasteur am 28. September 1895 starb, hatte er mit solch falschen Vorstellungen aufgeräumt und neue Theorien etabliert, nicht nur in der Medizin. Der Chemiker: spiegelbildliche Isomere Auch wenn Louis Pasteur in Lexika gerne als „Chemiker“ bezeichnet wird: Wie fast alle Naturwissenschaftler seiner Zeit war er eigentlich ein Universalgelehrter. Zur Chemie gehören auf jeden Fall die ersten wissenschaftlichen Sporen, die er sich als junger Forscher verdiente: Pasteur gilt heute als Begründer der Stereochemie. Bei Untersuchungen von Weinsäure-Kristallen entdeckte er Ende der 1840er Jahre, dass es zwei Varianten gab, deren Formen sich wie Bild und Spiegelbild zueinander verhielten. Der Lebensmittelchemiker: von der Gärung zur Mikrobiologie Im Auftrag seiner Geldgeber wandte sich das Forschungstalent dann ab 1850 eher angewandten Fragestellungen zu: Er beschäftigte sich in den kommenden Jahren mit Gärungsprozessen bei Bier, Wein und Essig und der Produktion von Alkohol. Dabei schaute er tief und gründlich ins Reagenzglas und legte so den Grundstein für die Mikrobiologie. Seine damals bahnbrechende Erkenntnis: Gärung ist eine Folge der Aktivität lebender Mikroorganismen und kein abiotischer Prozess. Für jede Art von Gärung sind spezifische Mikroorganismen verantwortlich. Quelle dieser Mikroorganismen ist die Luft. Nebenbei beschrieb er als Erster überhaupt eine Stoffwechselregulation: Je nach Sauerstoffverfügbarkeit schalten Hefepilze beim Abbau von Kohlenhydraten von oxidativen auf anaerobe Wege um (heutiger Name: Pasteur-Effekt). Der Haltbarmacher: Pasteurisierung von Lebensmitteln In der Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum ist Louis Pasteur heute vor allem wegen eines Verfahrens zum Haltbarmachen von flüssigen Lebensmitteln bekannt: die nach ihm benannte Pasteurisierung. Dabei werden die Lebensmittel für ein paar Sekunden auf 60 bis 90 Grad erhitzt und dann wieder gekühlt. Das Verfahren ist die logische Konsequenz seiner während der Gärungsstudien gewonnenen Erkenntnisse: Anders als bei einer Sterilisation werden dabei zwar die Sporen der Mikroorganismen nicht abgetötet, wohl aber die vegetativen Formen der meisten pathogenen Keime. Der Veterinärmediziner: Raupen, Kühe, Keime, ... Im Auftrag der Regierung lenkte Pasteur ab 1865 sein Interesse auf lebende Mehrzeller. Er forschte an Seidenraupen. Die damals wirtschaftlich sehr wichtigen Insekten hatten mehrere Krankheiten. Eine davon, das hatte Pasteur herausgefunden, wird fäkal-oral übertragen. Damit hatte er das Thema seines Lebens gefunden: das Studium übertragbarer Krankheiten. Da er bereits wusste, dass Mikroben für die Gärung verantwortlich waren, fragte er sich, ob sie nicht auch Krankheiten auslösen könnten. Und tatsächlich: Dass „das Bakterium die Ansteckung enthält“, bewies er bei Milzbrand, eine Seuche bei Kühen und Schafen, und entwarf bis 1880 das Konzept der Infektionskrankheiten: die „Keimtheorie der Krankheiten“. Der Impf-Visionär: trocknend gegen Tollwut Wie könnte man solche Krankheiten bekämpfen? Das Prinzip der Impfung war Pasteur bekannt: Schließlich hatte Edward Jenner bereits im Jahr 1796 die Pockenimpfung „erfunden“. Seidenraupe

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